Poniatowskis Oper „Pièrre de Médicis“

 

Vor drei Jahren war beim polnischen Musikfestival in Krakau eine erstaunliche Ausgrabung zu erleben. Auf dem Programm stand die Oper Pierre de Médicis, komponiert von Graf Józef Michał Ksawery Poniatowski (1816–1873). Der in Rom geborene Neffe des letzten polnischen Königs war ein Kosmopolit, der sich auf dem diplomatischen Parkett in Brüssel, Paris und London ebenso souverän zu bewegen wusste wie auf den großen Theaterbühnen Europas. Hier brachte er es nicht nur als Tenor zu künstlerischen Ehren, sondern auch als versierter Komponist. Zwölf Opern entstammen seiner Feder, die achte und erfolgreichste ist der 1860 in Paris uraufgeführte Pierre de Médicis. Sie spielt in Pisa und handelt von der Leidenschaft der beiden Medici-Brüder Piero/Pierre und Giulio/Julien zu Laura Salviati, der Tochter des Großinquisitors Fra Antonio. Deren Herz gehört Giulio, doch muss sie auf Geheiß des Vaters Piero heiraten oder ins Kloster gehen. Im Aufstand gegen den tyrannischen Piero fällt dieser, doch die bereits als Nonne geweihte Laura muss auf weltliche Liebe verzichten. Viel szenischer Aufwand mit großem Volksfest, malerischer Flusslandschaft, Klostererstürmung – Gioconda und Trovatore lassen grüßenwäre für eine Inszenierung nötig, doch auch rein akustisch macht die wirklich reißerische Musik Eindruck. Die großzügigen Auszüge, die beim Mitschnitt der konzertanten Aufführung in Krakau auf einer CD zusammengestellt wurden, vermitteln ihre Qualität aufs Schönste. Man hört einen effektvollen Zwitter zwischen Grand opéra und später Belcanto-Oper mit anspruchsvollen Soloszenen, mächtigen Ensembles und prächtigen Chören. Aleksandra Buczek singt die Laura, zwar nicht ganz ohne Schärfe, aber mit dramatischer Attacke und brillanten Topnoten. Mit viel Furor stürmt Einspringer Xu Chang als tenoraler Tyrann Pierre durch seine Partie, zeigt aber auch Gespür für dynamische Nuancen. Der Bariton Florian Sempey präsentiert sich als sein Bruder Julien in tadelloser Form, kann phrasieren und trumpft im dritten Finale mit einer effektvollen Cabaletta auf. Yasushi Hirano strahlt als Fra Antonio die angebrachte Autorität einer Machtperson aus und untermauert sie mit resonanzreicher Bassfülle. Chor und Orchester sind bestens vorbereitet und werden vom Dirigenten Massimiliano Caldi mit Schmiss und Stilgefühl durch die Partitur geführt.

Wer mehr von Poniatowski hören möchte, greife zu der sehr empfehlenswerten CD Rediscovered Opera Arias, auf der Aleksandra Buczek vorwiegend virtuose Opernarien singt, SMP 201001, und in der Reihe „Il Salotto“ von Opera Rara sind einige seiner Salonstücke eingespielt. Karin Coper

Józef Michał Ksawery Poniatowski: Pierre de Médicis mit Xu Chang (Pierre de Médicis), Aleksandra Buczek (Laura Salviati), Florian Sempey (Julien de Médicis), Yasushi Hirano (Fra Antonio), Juraj Hollỳ (Paolo Monti), Jadwiga Postrożna (Henrietta); K. Szymanowski Philharmonic Choir in Kraków (Teresa Majka-Pacanek) Kraków Festival Orchestra, Leitung: Massimiliano Caldi; SMP 201202