Zwischen Barock und Brexit

John Gays Ballad Opera von 1728  The Beggar’s Opera gilt als eine der ersten musikalischen Komödien. Der Komponist verwob brillant klassische und populäre musikalische Motive zu einer satirischen Legende mit Londoner Dieben, Zuhältern und Huren in den Hauptrollen.

OPUS ARTE bringt nun auf einer Blu-ray Disc eine neue Version des Stückes von Regisseur Robert Carsen und Dramaturg Ian Burton heraus, die im April 2018 im Pariser Théâtre des Bouffes du Nord zur Aufführung kam (OABD7283 D). Deren hoher musikalischer Rang ergibt sich durch die Mitwirkung von Musikern des renommierten Ensembles Les Arts Florissants unter William Christie. Bühnenbildner James Brandily und Kostümdesignerin Petra Reinhardt siedeln die Geschichte ganz im Heute an, lassen sie in einer Szenerie aus aufgestapelten Pappkartons spielen, wo Obdachlose in Hoodies hausen. Sie singen und agieren auch tänzerisch. Rebecca Howells Choreografie ist deutlich inspiriert vom Break Dance und Hip-Hop. Mitten in diesem Ambiente des Elends und der Trostlosigkeit sitzen die Musiker und der Dirigent. Er bringt Gays Musik in ihrer Mischung aus klassischen Themen und populären Weisen mit rasantem Schwung zu fetziger Wirkung.

Mit Ohren betäubendem Lärm und Sirenengeheul beginnt das Spektakel – eine Razzia der Polizei ist zu befürchten. Schnell müssen sich die Gauner aus ihren Pappen schälen. Ihr Chef Mr. Peachum in Gestalt von Robert Burt ist ein gewiefter Typ, der wie alle anderen Sängerdarsteller von Carsen/Burton aktualisierte Sprechtexte aufsagen darf, die politische Skandale unserer Tage entlarven und parodieren, Die Frau an seiner Seite, Mrs. Peachum alias Beverley Klein, steuert ordinäre Töne bei. Kate Better ist eine sexy Polly, die in ihrem Song „Turtle Dove“ einen angenehmen Sopran hören lässt. Der von ihr ersehnte Gatte, Macheath, ist mit Benjamin Purkiss ungewöhnlich jung und smart besetzt, aber der Sänger kann auch cool und fies sein. Fünf extravagant gekleidete und flott die Beine werfende Escort-Girls begleiten ihn. Sie animieren ihn zu einem auftrumpfenden Song, der die Freuden des Lebens preist. Die herrlich deftige Wirtin Diana (Beverley Klein in einer Doppelrolle) lallt dazu. Einen resoluten Auftritt hat Olivia Brereton als Lucy, die Macheath im Gefängnis besucht und dort von ihm ein Eheversprechen erhält. Als dazu noch Polly erscheint und sich als rechtmäßige Gattin ausgibt, kommt es zu heftigen, von den beiden Damen köstlich ausgespielten Konfusionen. Emma Kate Nelson als Jenny ist die Kühle Blonde mit flötenden Soprantönen.

Am Ende winselt Macheath angesichts des Galgenstricks, der über ihm baumelt. Schon läutet die Glocke und nicht weniger als vier Damen wollen sich von ihm verabschieden, da kommt die Eilmeldung vom Rücktritt der Premierministerin (!). Alle bekommen einen Posten und die Gaunergeschäfte beginnen von vorn. Die so vergnügliche wie fulminante Aufführung wird vom Publikum gebührend bejubelt. Bernd Hoppe