Nicola De Giosas „Don Checco“

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Bei Dynamic ist der Mitschnitt von Nicola De Giosas komischer Oper Don Checco vom vergangenen Jahr bei den Opernfestspielen von Martina Franca/ Valle d´Itria herausgekommen und – weil nicht am Radio übertragen – entpuppt sich für den nicht in die Sommerhitze Apuliens angereisten Musikfreund als veritable Überraschung, denn der Melodienreichtum, der Witz der Komposition und die spritzige Musik selbst beleuchten den bislang lang so gut wie unbekannten De Giosa als Meister seines Fachs.Im Zuge der (vom Festivalgründer Grassi einst angestrebten) Rückbesinnung des Festivals auf die einheimischen (apulischen) Komponisten steht mit De Giosa einer der wirklich wichtigen des mittleren neunzehnten Jahrhunderts vor uns. 1819 in Bari geboren und 1885 ebendort gestorben, zeigt sich mit De Giosa einer der profiliertesten compositori minori der Post-Rossini- und Donizett-/Verdi-Zeit. Mehr als 20 Opern sind ihm zuzuschreiben. Zudem war er Leiter der italienische Oper Kairo und des Orchesters des neapolitanischen San Carlo und brachte Verdis, Meyerbeers und Gounods Opern dort zur Aufführung. Ab 1872 war er Chef des Orchesters des Colòn in Buenos Aires, danach zurück in Neapel Chef des Teatro Sannazzaro. Seine letzten Jahre verbrachte er im heimischen Bari (mehr dazu wie stets bei Wikipedia). G. H.

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De Giosas "Don Checco" in Martina Franca 2016/ Szene/ Foto Festival della Valle d´Itria

De Giosas „Don Checco“ in Martina Franca 2016/ Szene/ Foto Festival della Valle d´Itria

Seine köstliche komische Oper Don Checco nun gab es, nach einem ersten Run in der Moderne, 2014 in Neapel. Sie wurde 2015 in Martina wiederholt und aufgezeichnet. Der nachstehende Artikel von Dinko Fabris stammt aus der Beilage zur Ausgabe bei Dynamic (CD CDS7737).

Vita: In Bari, das noch kaum mehr als ein Fischerdorf mit ein paar Geschäften war, wurde am 3. Mai 1819 Nicola De Giosa geboren. Nicola oder Niccòla, wie der Komponist sich selber schrieb, ist übrigens für die Stadt ein typischer Vorname, nach dem in der Kirche seines Namens verehrten heiligen Nicola (der heilige Nikolaus der Geschenkebringer, Anm. d. Übersetzers), und De Giosa war nach einem anderen Nicola, Piccinni nämlich, der wichtigste Bareser Komponist. Mit fünfzehn, nach ersten Flötenstunden bei seinem Bruder Giuseppe, wurde er fürs Studium nach Napoli geschickt. 1834 trat er ins Konservatorium San Pietro a Majella ein, das wenige Jahre zuvor das Erbe der alten Konservatorien des 17. und 18. Jahrhunderts angetreten hatte, sodann ins Collegio San Sebastiano. Von da an wurde Napoli für fast vierzig Jahre seine Stadt, wo sich der größte Teil seiner nicht immer leichten Karriere abspielte.

Von Donizetti unter die Fittiche genommen, wurde er dessen Schüler und Mitarbeiter. Während er von ihm eine flüssige Arbeitsweise und profunde Kenntnisse in Kontrapunkt und Instrumentation übernahm und später genau wie sein Lehrer zum Protagonisten der Stagioni am napoletanischen Teatro Nuovo wurde, geriet er andererseits unverzüglich in Gegensatz zum neuen, 1840 ernannten Konservatoriumsdirektor, Saverio Mercadante, und zwar in einem Maße, dass er gezwungen wurde, die Anstalt noch vor Studienabschluss zu verlassen, und sein Operndebüt fand nicht wie üblich statt, während er noch Student war, sondern 1842 nach seinem Abgang. Nicht zufällig handelte es sich dabei um eine komische Oper, La casa degli artisti (Das Künstlerhaus), die im Teatro Nuovo zur Première kam und 1846 unter anderem Titel auch in Torino aufgeführt wurde, was De Giosa den Weg für eine Karriere auch außerhalb Napolis bahnte.

"Don Checco": der Komponist Nicolà de Giosa/Wiki

„Don Checco“: der Komponist Nicolà de Giosa/Wiki

Er blieb beim komischen Genre und schrieb Jahr für Jahr neue in Napoli wie anderswo gut aufgenommene Werke. 1850 folgte der Gipfel seiner Erfolge mit dem epochalen Triumph seines Don Checco, der am Teatro Nuovo 96mal gegeben und dann jahrelang in anderen Städten unter vergleichbarer Beachtung nachgespielt wurde. Durch diese Bestätigung ermutigt, wollte er beweisen, dass er auch ernste Opern schreiben könne, und konnte sich schon 1851 mit Folco d’Arles (auch dank des soliden Libretto von Salvatore Cammarano nach Hugo) durchsetzen. Nach einer Folge von ernsten und komischen Opern im Wechsel – ohne je wieder einmütige Zustimmung wie für den Don Checco zu erhalten – begann De Giosa um 1860 herum eine neue Phase seiner Laufbahn und wurde einer der ersten bekannten Dirigenten.

Einige Jahre lang war er ständiger Dirigent am Teatro San Carlo in Napoli, dann für die Saison 1867/68 an La Fenice in Venedig, und 1870/71 unternahm er sein erstes „exotisches“ Abenteuer als Dirigent der italienischen Oper in Kairo. Das waren die richtigen Jahre dafür; die Uraufführung der Aida hätte ihm zukommen müssen, aber Verdi war dagegen. Ein anderes Abenteuer in fernen Landen führte ihn 1873 ans Pult des Teatro Colón in Buenos Aires; er beschloss seine Dirigentenkarriere in Napoli, wo sie begonnen hatte, mit letzten Aufgaben am San Carlo und kleineren Häusern. De Giosa hinterließ etwa 15 Opern und einige unaufgeführte Stücke. In Bari, wo er seine letzten Jahre verbrachte, starb er am 7. Juli 1885.

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Gruppenbild mit De Giosa (links vorne)/ Weatherson

Gruppenbild mit De Giosa (links vorne)/ Weatherson

Libretto: 1850 erschien in der Kulturzeitschrift Omnibus eine Rezension des Don Checco, die einige interessante Einzelheiten enthält: „Der Impresario (des Teatro Nuovo) musste (im Sommer) eine neue Oper aufs Programm setzen, um sein Theater zu beleben. Er hat den jungen De Giosa mit seiner schönen und blühenden Phantasie gebeten, unverzüglich etwas zu komponieren. De Giosa präsentierte innert einem Monat eine schöne und abgeschlossene Arbeit. Diese Geschichte muss man kennen, da sie Grund und Ergebnis bezeichnet. Der Grund war die Eile, und das merkt man der Musik an. Damit wollen wir sagen, dass der fähige Maestro sich keinen Plan gemacht hat, er hat zu Papier gebracht, wie’s eben kam: Er vertraute seiner Phantasie. Doch Musik hat auch mit Mathematik zu tun und braucht auch viel Kalkül. Daher stilistische Uneinheitlichkeit: bald schwach, bald solide, bald vertraut er alles der Begleitung an, bald alles den Stimmen…“

De Giosas "Don Checco" in Martina Franca 2016/ Szene/ Foto Festival della Valle d´Itria

De Giosas „Don Checco“ in Martina Franca 2015/ Szene/ Foto Festival della Valle d´Itria

Die Eile (beim Don Checco) dient zur Erklärung von Unvollkommenheiten in der Ausführung der Partitur, und in Konsequenz daraus erscheint die Bravour des jungen Maestro in noch strahlenderem Licht. Andererseits ist keine Zeile dem Librettisten Almerindo Spadetta gewidmet, ein Name, der weder in Lexika noch in Bibliographien figuriert. Spadetta war regelmäßiger Mitarbeiter des Teatro Nuovo als „allestitore“ (unübersetzbar; „allestimento“ kann Ausstattung, Inszenierung oder sonst eine „Einrichtung“ eines Bühnenwerks bezeichnen, Anm. d. Übersetzers), verfasste Libretti aller Arten, mit Vorliebe in napoletanischem Dialekt. Er schrieb in der Tat gut und gern 34 Libretti von 1841 bis 1886, aber ausschließlich für Opern, die in Napoli aufgeführt wurden (19 davon im Teatro Nuovo). In den darauffolgenden Jahren schrieb der napoletanische Bibliothekar und Historiker Florimo – der in De Giosa einen Nachfolger Donizettis sah – Folgendes in der zweiten Auflage seiner „Scuola musicale di Napoli“ (1881-83, S. 388): „Nach dem turbulenten Ausgang des 1. Aktes flachte der 2. Akt in weiten Teilen ab,

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auch weil die Besteckszene nicht gefiel; und die generell mangelnde Sattelfestigkeit der Interpreten führte dazu, dass die Musik des zweiten Aktes sich nicht auf dem Niveau jener des ersten befand. Doch Raffaele Casaccia hob es mit der Magie seiner vis comica allmählich wieder an und gewann ihr die Gunst des Publikums, das, vom ersten Akt begeistert, auch dem zweiten applaudierte. Don Checco widerfuhr die Ehre, gemeinsam mit der Compagnia, Chor und Orchester, vom bescheidenen Haus in den grandiosen Palast des San Carlo zu übersiedeln, für eine Wohltätigkeitsgala außerhalb des Vertrags. Der Zulauf an diesem Abend war gewaltig.“ Im Dizionario von Carlo Schmidt liest man unter dem Eintrag De Giosa nur, dass Don Checco „seine beste Arbeit“ sei (1887, S.125). In der Folge haben Kritiker und Musikhistoriker den Wert dieser Partitur unterschätzt, die zusammen mit Napoli di carnevale für ein Potpourri abgedroschener Formeln der veralteten napoletanischen Komödie angesehen wurde.

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De Giosas "Don Checco" in Martina Franca 2016/ Szene/ Foto Festival della Valle d´Itria

De Giosas „Don Checco“ in Martina Franca 2015/ Szene/ Foto Festival della Valle d´Itria

Die Textlage: Betrachten wir nun die Elemente näher, die dem anonymen Kritiker des Omnibus nicht gefallen haben, die aber offensichtlich für die Begeisterung des Publikums und den langanhaltenden Erfolg der Oper verantwortlich sind. Unter den Schätzen des Conservatorio San Pietro a Majella in Napoli lagert auch die autographe Partitur des Don Checco von Nicola De Giosa. Auf dem Frontispiz liest man: „Don Checco | Opera buffa | in | due atti | (späterer Zusatz über radierten Wörtern:) Riformata in Ottobre 1851| musica di | Nicola De Giosa“. Das Orchester sieht eine mittelgroße, für kleinere Komödienhäuser wie das Teatro Nuovo typische Besetzung vor: Piccolo, Flöte, Oboe, Klarinetten in C, Hörner in G, Trompeten in D, Fagotte, Posaunen, zweite Posaunen und Cimbasso, Pauken in G und die üblichen Streicher: erste und zweite Violinen, Bratschen, Celli, Kontrabass. Aus der konsequenten Verwendung von Abkürzungen und Verweisen für Wiederholungen wie aus der Anwesenheit von Streichungen, Korrekturen und eingeklebten Zetteln ersieht man, dass es sich um eine vorläufige Partitur handelt, die der Komponist zur Erarbeitung der definitiven und der Stimmen verwendet hat. Die anderen Quellen, die Lorenzo Fico alle für seine Rekonstruktion verwendet hat, sind: eine handschriftliche Kopie der autographen Partitur, die sie getreu wiedergibt; das eigenhändige Librettomanuskript von Almerindo Spadetta (in der Konservatoriumsbibliothek von Napoli aufbewahrt); das in Napoli gedruckte Libretto für die Wiederaufnahme von 1852 (das auf dem Frontispiz fälschlicherweise für die Uraufführung das Datum 11.7. 1851 angibt); das in Milano beim Verleger F. Lucca ohne Jahrgang gedruckte Libretto mit dem Part des Don Checco in italienischer Übersetzung (durch Carlo Cambiaggio) und den für musikalische Rezitative adaptierten Passagen in Prosa ­– dies ist der vollständigste Text, und er korrespondiert mit dem undatierten Klavierauszug; ebendieser Klavierauszug, ohne Jahrgang in Napoli von Stabilimento Musicale Partenopeo herausgegeben, mit zweisprachigem Text für Don Checco, italienisch und napoletanisch, und allen im Milaneser Libretto vorgesehenen musikalischen Teilen, die in der autographen Partitur fehlen. Schließlich hat ein Dokument überlebt, das bisher nicht miteinbezogen worden ist und das wir in der Bibliothek des Konservatoriums von Napoli gefunden haben: der „copione per il suggeritore“, der Text des Souffleurs, der offensichtlich für Proben und die erste Aufführungsserie am Teatro Nuovo gedacht war. Gehen wir also mit dem Leser De Giosas Partitur durch und verbinden wir diese Informationen mit dem Libretto und den anderen verfügbaren musikalischen Quellen, um einen ersten Eindruck von den auffälligen Eigenschaften der Oper zu erhalten.

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De Giosas "Don Checco" in Martina Franca 2016/ Szene/ Foto Festival della Valle d´Itria

De Giosas „Don Checco“ in Martina Franca 2015/ Szene/ Foto Festival della Valle d´Itria

Die Musik: Auf ein kurzes Preludio in G, bestehend aus einem Allegro und einem Larghetto, folgt die Introduzione. Sie beginnt mit einem bewegten „Coro d’introduzione“, in welchem die Stammgäste eines Gasthauses vom Kellner Carletto schnell mit Wein und Speisen versorgt zu werden verlangen. Der Auftritt der schönen Fiorina bewirkt bei den erregten Gästen einen Stimmungsumschwung, der durch eine gewundene melodische Linie zu Worten der Bewunderung für sie unterstrichen wird. Das hat einen entmutigenden Effekt auf Carletto, der heimlich in Fiorina verliebt ist. Als Roberto in Malerkleidung auftritt, vereint er seine Stimme mit jenen des Gästechors zum Preis der jungen Frau. Die erste geschlossene lyrische Nummer ist der Canzone der Fiorina (in der autographen Partitur mit dem Namen des Komponisten versehen, wohl weil das Stück zur separaten Veröffentlichung vorgesehen war), der den letzten Worten ihres A-parte-Rezitativs folgt: „Diesen Feiglingen und dummen Verliebten werde ich schon heimzuleuchten wissen.“ Es ist ein Allegro moderato in C-Dur, in welchem das Piccolo seine Stimme mit jener der Sängerin verflicht, die eine einfache Mädchenphilosophie zusammenfasst (ihr Gatte muss nicht reich sein, aber schön) und mit Versen endet, die des rossinischen Barbiers würdig wären: „So wird er mich glücklicher machen als eine Dame aus der Stadt, la, la, la, la, la, la, la, la…“ Es folgt Bartolaccios Cavatine „Che mai si fa“ (Was tut man) in D-Dur, über dessen harte Worte sich unter geschickter Verwendung aller Soloinstrumente in der Orchestration die Stimmen aller Anwesenden legen. Mit dieser Stretta in Allegro brillante, in deren Crescendo sich allmählich alle Instrumente (auch Posaunen und Fagotte) den Stimmen beigesellen, die syllabisch-akkordisch geführt werden, schließt die spritzige Introduzione.

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Zum Inhalt: Die Anwesenheit dessen, den alle für einen Maler namens Roberto halten, ist essentieller Bestandteil der Komödienmaschinerie, die durch Bartolaccios entwaffnende Eröffnung an seine Tochter in Gang gesetzt wird, er wolle ihr ganz gewiss keine Mitgift zahlen, und zudem wolle er sich zuerst selber verehelichen. Roberto kommentiert diese Aussage aufgrund des vorgerückten Alters des Wirtes unter Lachen (60 Jahre alt, werden Fiorina und Carletto später sagen). Beim folgenden Duett zwischen Fiorina und Carletto findet sich eine Änderungsanweisung, wahrscheinlich für eine Wiederaufnahme bald nach der Uraufführung: „um einen halben Ton nach unten transponieren, von Anfang bis Ende“. Zudem merkt der Komponist über der Phrase Fiorinas, mit der sie Carletto zu seiner Liebeserklärung anstachelt, an: „ben chiare le parole“ (die Worte gut verständlich), ebenso kurz darauf für ihn: „pp. e chiare le parole!“ Die Gefühlslage der kaum geäußerten Empfindung wird durch das syllabische Staccato der Stimmen und Streicher auf die Worte „pal-pi-te-rò per te“ (mein Herz wird für Dich pochen) illustriert. Schließlich betritt der Titelheld auf spektakuläre Art und Weise mit einer langen und wortreichen Cavatina buffa die Szene, in der er sich und seine einflussreiche Position vorstellt. Er ist der einzige, der in Napoletanisch singt, und scheint auch der einzige zu sein, der eine kohärente Weltanschauung besitzt (abgesehen vom als Maler verkleideten Grafen, der aber nur sehr geringe, wenn auch wichtige Bühnenpräsenz hat). De Giosa warnt im Autograph: „Der Interpret dieser Cavatine ist gebeten, nicht mit der Stimme zu prahlen, sondern so leicht zu singen, dass es Prosa ähnelt.“ Und etwas später: „Nach Belieben des Sängers kann hier eine entsprechende längere und lächerliche Prosa eingefügt werden.“ Und tatsächlich ist im Libretto der Schlussteil in Prosa geschrieben. Nach dieser ausführlichen, klug mit Monotonie vermeidenden Figurationen im Orchester geschmückten Vorstellung befinden wir uns mit dem folgenden Terzett von Don Checco, Fiorina und Carletto schon im langen Finale I. Die Szene ist ein Triumph der Missverständnisse, nachdem schon Bartolaccio Don Checco für den (verkleideten) Grafen gehalten und Don Checco schließlich, von der Mitgift angezogen, eingewilligt hat, Fiorina zu heiraten. Mit der Sorglosigkeit so vieler „Dons“ der Komödie des 18. Jahrhunderts glaubt der vermeintliche Graf tatsächlich, dass Fiorina, ohne ihn je gesehen zu haben, ihn und nicht den jungen Carletto heiraten will – letzteren hält er für ihren Vormund. Als er die bittere Wahrheit erkennt, indem er mit ansieht, wie die beiden einander umarmen, verliert er die Fassung und versucht sie zu trennen, und mit dieser ersten Ent-Täuschung im sympathischen Verwirrspiel schließt der erste Akt.

De Giosas "Don Checco" in Martina Franca 2016/ Szene/ Foto Festival della Valle d´Itria

De Giosas „Don Checco“ in Martina Franca 2015/ Szene/ Foto Festival della Valle d´Itria

Der zweite Akt beginnt statt mit der üblichen instrumentalen Sinfonia mit einem eleganten Tempo di Valzer in D-Dur für Streicher allein. Eine spätere Hand hat mit Bleistift die originalen langen Noten in punktierte Viertel verkürzt, im Interesse saubererer Ausführung. Es handelt sich dabei um eine lange und dichte instrumentale Nummer von ausdrucksvollen Orchesterfarben, die von De Giosa wahrscheinlich als separate Einzelnummer wiederverwendet wurde. Das Libretto notiert als auf der Bühne anwesend neben Don Checco, Fiorina, Carletto und Roberto auch den Gästechor und eine Banda. Es handelt sich laut Bühnenanweisung um „die stehende Dorfkapelle, die spielt, was das Zeug hält, d.h., drei lange Trompeten, ein Kontrabass, zwei Posaunen, eine Violine, eine Schalmei, eine große Pauke und Fingertschinellen auf einem Tischchen; der danebenstehende Bürgermeister schlägt den Takt“. Dieses Ensemble spiegelt die typische „bassa banda“ wieder, die in vielen apulischen Landstrichen um Bari herum unterwegs war (und manchmal noch heute unterwegs ist) und De Giosa daher wohlbekannt war. Vor dieser Klangkulisse fällt Don Checcos Ansprache noch komischer aus, der im Begriffe steht, sich auf den gedeckten Tisch zu stürzen, und (in Prosa) ausruft: „Miei diletti vermicelli, è mezzora che ve sto aspettanno ccà assettato…“ (ungefähr: „Hochverehrte Würmchen (Spaghetti oder Tagliatelle), jetzt warte ich schon eine halbe Stunde gebügelt und geschniegelt auf euch…“)

Samuel Zinsli gebührt Dank für die Übersetzungsarbeit, die den wirklich schwierigen Text für uns erschloss/ OBA

Samuel Zinsli gebührt Dank für die Übersetzungsarbeit, die uns den wirklich schwierigen Text erschloss/ OBA

Dieser Aktbeginn nach dem instrumentalen Walzer fehlt praktisch vollständig in der autographen Partitur, weil die ersten beiden Szenen sich in Prosa abspielen und im Libretto nachgelesen werden können. Der Autograph fährt mit dem Duett zwischen Bartolaccio und Don Checco fort, das als Kontrast ihren surrealen Dialog aus dem ersten Akt wiederaufnimmt und in einen wahren Wettstreit mit Gemeinplätzen mündet. Bartolaccio zählt auf Italienisch alle Risiken für ein Vögelchen auf, das vor Hunger in eine Falle tappt, und Don Checco kontert mit einer anderen Tiermetapher, der vom glücklichen Esel, der seine schwere Last zu Boden wirft, sich hinlegt, ausruht und nichts mehr tut. Er sei noch nicht gefangen, sondern ruhe sich aus und werde danach das Weite suchen. Nach diesem urkomischen Duett für zwei Buffobässe (Erbe der großen Tradition des 18. Jahrhunderts, die den Erfolg der Familie Casaccia garantiert hatte), vermerkt die Partitur das Rondo der Fiorina. Tatsächlich handelt es sich um ein Duett mit Carletto, das mit einem Recitativo beginnt und nach einem Larghetto in den wirklichen Aria-Rondo-Teil in Allegro vivo übergeht (ab S. 132). Die folgende Nummer ist „Chor und Quintett“ überschrieben und enthält in der Tat die Ankunft von Bauern mit Sträußen und Blumenkränzen, die dem Grafen de’Ridolfi ihre Aufwartung machen wollen. Don Checco sieht sich also umringt von einem lärmigen Männerchor, dem sich die Stimmen von Fiorina und Carletto beigesellen.

Der Effekt der zunehmenden Schichtung von Stimmen auf der selben melodischen Linie erinnert stark an Rossini. Die volkstümliche Ehrung („viva gridiam, evviva il conte!“ – „Wir schreien ‚Viva!‘, es lebe der Graf!“) wird abrupt von Bartolaccios Auftritt unterbrochen, der die Täuschung aufdeckt und die Ankunft von jemandem ankündigt, der beweisen könne, dass Don Checco nicht der Graf sei. Es ist Succhiello, der Steuereintreiber des Grafen de’Ridolfi, dessen Anblick die Bauern in Panik versetzt. Er verliest das Urteil gegen Don Checco wegen Geldschulden, wozu das Orchester schweigt. Das feiernde Volk verwandelt sich im Nu in eine Masse unerbittlicher Ankläger mit schnellen, rhythmischen Akkorden, denen sich allein die Stimme des angeblichen Grafen entgegenzustellen versucht. Die allgemeine Anklage wird noch unbarmherziger, als Bartolaccio Don Checco schüttelt und dabei in seiner Tasche Besteck entdeckt, das dieser zwar nicht stehlen wollte, aber zurückzulegen vergessen hatte. Schließlich, nachdem die Anspannung mit den Worten des Chors „Schuldner und erst noch Dieb… Habenichts, Habenichts!“ und des Beschuldigten „Ich ein Dieb? oh Schande…“ ihren Höhepunkt erreicht hat, folgt der für die glückliche Auflösung notwendige Theatercoup: ein Brief an Succhiello, vom Grafen de’Ridolfi unterschrieben, der Don Checco Vergebung und Tilgung seiner Schulden ausspricht, und eine Geldsumme für die jungen Leute, Fiorina und Carletto, mit der Anweisung an Bartolaccio, ihrer Vermählung zuzustimmen. Dafür würden auch seine Schulden getilgt.

Alfredo Giovines Monographie zu De Giosa von 1968, lange vergriffen

Alfredo Giovines Monographie zu De Giosa von 1968, lange vergriffen

Dies alles eröffnet die letzte Szene, die in der Partitur „Recitativo ed Aria finale“ überschrieben ist. Das Orchester begleitet die Ansprache beruhigend, in der Manier einer Barcarole, in G-Dur. Pastorale Heiterkeit wird durch die fröhlichen Läufe der Holzbläser vermittelt: zuerst Piccolo und Flöte, dann Oboe und Klarinette über dem unveränderlichen Arpeggio der Bässe. Mit außerordentlicher schauspielerischer Rhetorik zieht nun der rehabilitierte Don Checco die Aufmerksamkeit auf sich, der seine lange Moralpredigt mit einem regelrechten Lob der Schulden beginnen kann (De Giosa weist an: „con grazia, e chiare le parole“). In der Schlussstretta sekundiert der Chor den Protagonisten, der allen Anwesenden die Hände schüttelt und sie alle für potentielle Schuldner ansieht. (…)

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Die Gesangspartien des Don Checco sehen neben dem Männerchor (auch dies eine ehrwürdige Tradition) eine für eine komische Oper aus der Mitte des 19. Jahrhunderts typische Besetzung vor und wurden von dem napoletanischen Publikum wohlbekannten Künstlerinnen und Künstlern interpretiert: Fiorina (Sopran) war Giorgina Evrard, Carletto (Tenor) Tancredi Remorini, Succhiello Scorticone (Bariton) Valentino Fioravanti, Don Checco Cerifoglio (1. Buffo, Bass-Bariton) Raffaele Casaccia, genannt Casacciello, Bartolaccio (Bass) Giuseppe Fioravanti und schließlich der Graf im Malerkostüm (Bass) Raffaele Grandillo. Dass bei den Personen typisch norditalienische Namen vertreten sind, könnte darauf hindeuten, dass Spadetta einen bereits existierenden Text verwendet und für eine Commedia buffa im Teatro Nuovo adaptiert hat. Hier wird nun eine Beobachtung zur Sprache notwendig. Wie gesagt singt (und spricht, da er ja zwischen den beiden Modi abwechselt) Don Checco als Einziger auf Napoletanisch, einer Tradition folgend, die seit über einem Jahrhundert in der Geschichte der napoletanischen komischen Oper existierte – und noch länger, wenn man das Erbe der Commedia dell’arte berücksichtigt, aus welcher diese hervorgegangen war. Die Verbindung zur Tradition der unzähligen „Dons“ der napoletanischen „commedeja ppe musica“ (Komödie mit/wörtlich: für Musik) der ersten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts ist offensichtlich. Die Sprache (wohlgemerkt, das Napoletanische ist in der Mitte des 19. Jahrhunderts noch kein Dialekt und hat noch nicht die alte Würde einer Nationalsprache verloren) wird so zur Signatur eines Komödiencharakters und Vertreters volkstümlicher Weisheit. Als Vehikel der Kommunikation zwischen verschiedenen sozialen Schichten erlaubt es ein Nebeneinander von gängigen Redensarten und bissigen Bemerkungen zur Gegenwart und weist Don Checco die Aufgabe zu, die Moral der Geschichte zu formulieren.

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De Giosa: "Dob Checco"/ Aufführungszettel von 1902/ OBA

De Giosa: „Don Checco“/ Aufführungszettel von 1902/ OBA

Verbreitung: Obgleich der dramaturgische Rahmen des Don Checco letztlich wesentlich bescheidener ist als De Giosas frische Musik vermuten ließe, hatte die Oper zu ihrer Zeit einen rauschenden Erfolg: gut und gern 72 Aufführungsserien in verschiedenen italienischen Städten und im Ausland von 1850 bis 1887 mit einem offensichtlichen Schwerpunkt in Napoli, wohin die Oper nach der Uraufführungsproduktion mehrmals zurückkehrte. Die Italienreise begann mit einer ersten Reprise außerhalb Napolis in De Giosas Heimatstadt Bari (März 1852), sodann folgte ein Zug durch die Theater der Toscana (Livorno, Firenze, Siena), Genova, Torino und das Piemont, Milano und die Lombardei, Venedig, Rom, eine dezentrale Tournée durch Reggio Emilia, Lugo, Modena, Fano, Senigallia und Macerata sowie diverse Reprisen an praktisch allen diesen Orten. Das vielleicht frappanteste Faktum ist die Präsenz dieser so späten und altmodischen napoletanischen Opera buffa in damals sehr betriebsamen ausländischen Städten: Malta (1854), Corfu (1857), Zanta und Athen (1858), Smyrna (1869) und Barcelona (dreimal: 1858, 1861 und 1863). Seltsam ist, dass De Giosa offenbar seine Rolle als Dirigent in Buenos Aires und Kairo nicht dafür nutzen wollte, in den beiden Städten Aufführungen des Don Checco aufs Programm zu setzen. Oder vielleicht war der zeitliche Abstand selbst für einen nostalgischen Antiwagnerianer wie ihn dafür schon zu groß. Die moderne Wiederentdeckung (erstmals in Neapel 2014, dann 2015 Martina Franca) der letzten napoletanischen Opera buffa von großem volkstümlichem Erfolg erlaubt eine interessante und genussreiche Verifizierung des Überlebens der Gattung im 19. Jahrhundert, das laut Verdi mit der Cecchina von Piccinni geboren worden war und für viele mit Donizettis Don Pasquale geendet hatte. Dinko Fabris/ Übersetzung Samuel Zinsli

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Nicola de Giosa (1819-1885): Don Checco mit Domenico Colaianni, Carmine Monaco, Carolina Lippo, Francesco Castoro, Transylvania State Philharmonic Orchestra of Cluj-Napoca, Matteo Beltrami, Dynamic, 2 CD CDS7737, italienisch-englische Beilage, kein Libretto!). Foto oben: De Giosas „Don Checco“ in Martina Franca 2015/ Szene/ Foto Festival della Valle d´Itria
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Eine vollständige Auflistung der bisherigen Beiträge findet sich auf dieser Serie hier.
  1. Peter

    Es gibt Opern, die zu Unrecht dem Vergessen anheimgefallen sind. Ich denke da an die an dieser Stelle zu recht hymnisch rezensierte Cristina Di Svezia von Jacopo Foroni. Es gibt aber auch immer wieder Ausgrabungen, die – wenn nicht überflüssig – so doch nicht wirklich bedeutend erscheinen. Und dazu gehört meiner Meinung nach diese Oper. Habe sie mir auf YouTube zweimal angehört, ohne dass mein Eindruck von ihr besser wurde. Gänzlich unverständlich für mich ist ihr angeblich bis ins 20. Jh. anhaltender Erfolg. War der Komponist auch unter den Fittichen Donizettis, so hat er nicht annähernd dessen Begabung für die Melodie und den dramatischen Aufbau eines Werkes. Kein einziges Stück bleibt einem im Ohr hängen. Im allerbesten Fall ist eine Melodie gefällig, kommt aber nicht über den Durchschnitt damaliger Massenprodukte hinaus.Don Checco wirkt auf mich wie eine beliebige Abfolge von Chören und Arien, ohne ersichtliche Herausarbeitung von Spannungsbögen und Höhepunkten. Auch die viel zu langen und beim reinen Hören äusserst langweilig wirkenden Dialoge dienen dem Stück nicht. Mögen die Sänger und das Orchester hier auch soweit in Ordnung sein, das Dirigat mit seiner forcierten und undifferenzierten Hast ist es nicht und nimmt der Aufführung das letzte Fünkchen Charme.

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