Kleines Duett entschädigt für Striche

Dieser Don Carlos führt an den Beginn der Karriere von Ludmila Dvorakova in der DDR zurück. Die Elisabeth war nach dem Octavian die zweite Premiere der aus der Gegend um Prag stammenden  Sängerin an der Berliner Staatsoper im Jahr 1960. Die Stimme ließ aufhorchen, dunkel und üppig, noch ungelenk in der Aussprache. Isolde, Brünnhilde, Ortrud und Kundry kündigten sich bereits an. Gesungen wurde Verdi noch ganz selbstverständlich auf Deutsch. Als unfassbar mutet heute die damals übliche Fassung an, die bequem auf zwei CDs passt. Fontainebleau? Keine Spur. An die Holzfällerszene, die die inzwischen rekonstruierte französische Originalfassung für die Pariser Oper einleitet, war nicht einmal zu denken.

Die Oper beginnt im Kloster San Juste mit dem Auftritt von Carlos (Martin Ritzmann). Das sogenannte Maurische Lied der Eboli (Hedwig Müller-Bütow) im Garten vor dem Kloster bleibt auf die erste Strophe beschränkt und verliert dadurch seinen frechen Spott. Allenthalben fehlt es an musikalischer Eleganz, die einzelnen Auftritte weiterer maßgeblicher Figuren, darunter Posa (Rudolf Jedlicka) und später der König (Theo Adam) höchstselbst, geraten gestelzt, was wohl auch auf die reschen Ankündigungen ihres Erscheinens durch Tebaldo (Sylvia Pawlik) zurückzuführen sein dürfte. Franz Konwitschy, der Generalmusikdirektor, kann keinen rechten Zusammenhalt herstellen. Verdi lag ihm wohl nicht so. Das große Handlungsballett ist in Gänze gestrichen, der Kleidertausch von Königin und Eboli, der die anschließende Verwirrung stiftende nächtliche Begegnung zwischen der Prinzessin und Carlos erklärt, findet nicht statt. Dafür gibt es das kleine Duett vor der großen Arie der Eboli, in dem diese der Königin ihren Verrat eingesteht. Das entschädigt für manchen scharfen Schnitt.

Trotz alledem: Der Mitschnitt offenbart ein starkes Bemühen, der Größe des Musikdramas Geltung zu verschaffen. Er ist mehr als fünfzig Jahre alt, also durch und durch historisch. Nicht zuletzt bildet er eine schöne Ergänzung der Diskographien der genannten Sänger. Die Müller-Bütow, damals ein Star Unter den Linden in Berlin, bekommt eine weitere Gesamtaufnahme. Gerhard Frei als gefährlich auftrumpfender Großinquisitor und Jutta Vulpius mit ihrer anrührenden Engelsstimme sollen unbedingt noch genannt werden. Es gibt auf dem Musikmarkt nur wenige Liveaufnahmen aus der DDR. Mit diesem Carlos ist eine hinzugekommen – erschienen bei Walhall (WLCD 0371) in sehr gutem Klang.

Rüdiger Winter

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