Aus Esterházys Truhen

 

In ihrer Esterházy Music Collection gibt ACCENT als Vol. 2 ein Oratorium von Gregor Joseph Werner mit dem Titel Der Gute Hirt heraus (ACC 26502, 2 CDs). Die Aufnahme entstand im Januar 2019 in Budapest als Produktion der Orfeo Music Foundation mit Unterstützung des Ungarischen Kulturministeriums.

Nach seiner Uraufführung 1739 in Eisenstadt ist das in der Musikbibliothek Joseph Haydns wieder entdeckte Werk nun erstmals in moderner Zeit zu hören. Der österreichische Komponist war wahrscheinlich ein Schüler von Johann Joseph Fux und stand fast 40 Jahre im Dienste der Esterházy-Fürsten. Gegen Ende seines Wirkens wurde ihm ein junger Assistent zur Seite gestellt, der kein Geringerer war als Joseph Haydn. Dieser fertigte Abschriften von Werken Werners an und bewahrte sie in seiner eigenen Musikbibliothek auf, woraus auch der Erhalt des Guten Hirten resultiert.

Die Komposition gehört zur Gattung des Sepolcro-Oratoriums, welche in der Karwoche aufgeführt wurden und das Begräbnis Jesu Christi darstellten. Von den fünf Personen der Handlung tragen einige pittoreske Namen, welche an das Personal in den Opern von Reinhard Keiser erinnern. Da finden sich neben dem Guten Hirten (der Countertenor Péter Bárány) Das Verlorene Schäflein & Das Wider Gefundene und Sehr Dankbare Schäflein, besetzt mit der Sopranistin Àgnes Kovács. In ihrer Auftrittsarie „Nun ihr, Blumen auf den Feldern“ lässt sie eine jugendlich-muntere Stimme mit sicherer Höhe hören. Sie beendet den Actus Primus mit der lebhaften Arie „Hinweg mit der Melancholie“, in der sie auch ihre Virtuosität ausstellen kann. Der Counter führt sich mit der getragenen Arie „Das Hirschlein nicht so schnell“ ein, deren klagender Duktus sein larmoyantes Timbre noch unterstreicht. In seiner Arie zu Beginn des Actus Secundus, „Auf, auf, mit hurtig schnellem Lauf“, kann sich die Stimme vorteilhafter darstellen.

Der Gute Hirt in Inänlichen Alter (der Tenor Zoltán Megyesi mit kultiviertem Vortrag in der kantabel wiegenden Arie „Steinhartes Felsenherz“), der Pilger (der Bassist Lóránt Najbauer mit flexibler Stimmgebung, aber auch der Fähigkeit zu liedhafter Lyrik) und das Echo (die Sopranistin Adriána Kalafszky) komplettieren die Besetzung. Das Orfeo Orchestra musiziert unter Leitung von Györgyi Vashegyi inspiriert und kontrastreich, wie es schon in der Introductio zu hören ist, die gewichtig einsetzt und sich dann zu hurtigem Fluss wandelt. Der Purcell Choir wartet in zwei Nummern am Ende des Werkes (Chorus deren Hirten und Chorus deren Schäflein) mit feierlichen und freudvollen Tönen auf. Bernd Hoppe