Zwei Zeitgenossen teilen sich eine CD

Über die musikalische Verwandtschaft der Zeitgenossen Beethoven und Cherubini wurde schon verschiedentlich geschrieben und diskutiert. Diese CD (Dabringhaus und Grimm MDG 940 1854-6) unternimmt den reizvollen Versuch, Werke der beiden Komponisten direkt gegenüberzustellen. Beethovens erste „Leonoren-Ouvertüre“, von den prächtigeren, späteren aus dem Repertoire verdrängt, ist ein absolut eigenständiges, schönes Konzertstück, dem man gerne öfter begegnen würde, und das in der Interpretation durch Bertrand de Billy und dem Lausanner Orchester hier zu seinem Recht kommt, ernst genommen zu werden.

Cherubinis einzige Symphonie von 1815, erst 1951 neu herausgegeben, gehört auch nicht gerade zu den viel gespielten Werken. Das mag zum Teil an ihrem ernsten, stellenweise auch spröden Charakter liegen. Strukturell ist das Werk durchaus den Beethoven’schen Symphonien vergleichbar, kommt allerdings mit einer wesentlich kleineren Orchesterbesetzung aus. Adäquat dazu fehlt es den Hauptthemen vielleicht auch an Stringenz und Originalität. In der schlüssigen hier vorliegenden Interpretation füllt es zumindest eine Repertoire-Lücke.

Noch interessanter ist der Vergleich der beiden hier eingespielten Vokalwerke: Beethovens „Ah! perfido“ op.65, stilistisch ein Vorgriff auf die große Leonoren-Arie, und Cherubinis „Vous voyez de vos fils“ aus Medea. Die beiden großen Liebenden werden von der schwedischen Sopranistin Maria Bengtsson porträtiert. Die Sängerin, die sich im Augenblick auf dem Weg in die erste Reihe der Opernhäuser befindet, leiht ihren ausdrucksvollen, sehr persönlich timbrierten Sopran den beiden seelenverwandten Frauen. Bisher mehr für das lyrische Fach und ihr großartiges Piano bekannt, wagt Bengtsson hier den Schritt zu etwas dramatischeren Herausforderungen. Im Oktober wird sie in Wien als Elettra in Mozarts Idomeneo zu hören sein, auch dies ein Indiz für die Erweiterung ihres Repertoires in diese Richtung. Im Studio gelingt dies auch vorzüglich, ihre gut gebildete, technisch brillante Stimme bewältigt die beiden Arien bravourös. Wie weit das kostbare Timbre der Stimme durch solche Ausflüge gefährdet ist, wird die Zukunft zeigen.

Schwer verständlich ist, warum man dieser Sängerin nicht ein Solo-Album gegönnt hat. Bengtsson ist schon seit Jahren international erfolgreich, verfügt nicht zuletzt in Berlin, wo sie jahrelang Ensemblemitglied der Komischen Oper war, und inzwischen auch häufig in der Staatsoper anzutreffen ist, über eine große Fan-Gemeinde. Vielleicht ist hier eine höchst unerfreuliche Tendenz der Branche erkennbar: Man setzt nur noch auf einzelne Künstler, die im großen Stil vermarktet und so penetrant beworben werden, dass selbst Analphabeten diese Namen kennen. Der Rest der Künstler wird gerade einmal verschämt in einem Sammelprogramm versteckt. Anne Schwanewilms kann ein Lied davon singen: ihre letzte CD erschien unter dem Allerweltstitel „Wagner“.

Abschließend muss man aber dem Label Dabringhaus und Grimm großes Lob für eine CD aussprechen, die abseits des Mainstreams sorgfältig produziert ist und speziell im vokalen Teil durchaus begeistern kann.

Peter Sommeregger