Märchentante

 

Nun auch ein Buch geschrieben wie bereits viele ihrer Kollegen und Kolleginnen hat Katia Ricciarelli und setzt damit nicht in Erstaunen, weil sie es überhaupt tat, sondern ob des Sujets, das sie gewählt hat. Nicht ihre erfolgreiche Karriere als Sängerin, nicht ihr Wirken als Direttore artistico des Festivals in Macerata, das ihr einige der interessantesten Spielzeiten zu verdanken hat, und nicht die leidenschaftliche Liebesgeschichte, die sie mit José Carreras verband, noch die Ehe mit dem Fernseh-Superstar Pippo Baudo und der unerfüllte Kinderwunsch, an dem eine ganze Nation dank vieler Illustriertenberichte Anteil nahm, sind Gegenstand der ca. 150 Seiten, sondern „Vi canto una storia“ (Ich singe euch eine Geschchte) ist der Titel des Buches mit dem Zusatz „L’opera racontata ai ragazzi“ (Die Oper den Kindern erzählt).

Katia Ricciarelli präsentierte ihr neues Buch „Vi canto una storia“ in ganz Italien, hier in Brindisi/ Brindisi.time.it

Wie viele italienische Musiker macht sich La Ricciarelli offensichtlich Sorgen über den Mangel an musikalischer Erziehung in italienischen Schulen, über den Niedergang der klassischen Musik in ihrem Heimatland, der Riccardo Muti erst unlängst äußern ließ, Italien sei nicht mehr das Land der Musik, sondern das der Musikgeschichte.

Offensichtlich ist es das Ziel der Autorin und ihres Mitautors Marco Carrozzo, Kinder für den Besuch von Opern zu gewinnen, und sie erfindet dazu eine Rahmenhandlung, in der sie nacheinander vier Kindern mit unterschiedlicher Skepsis gegenüber  der Gattung die Handlung von Opern als fiabe speciali (besondere Märchen) erzählt und schließlich mit allen Vieren die Oper „Hänsel und Gretel“ besucht und damit einen Riesenerfolg erzielt.

Skeptisch macht den erwachsenen und wohl auch den jugendlichen Leser die Menge von Zufällen, die die Sängerin immer genau das richtige Kind, die richtige Situation und die passende Opernhandlung zusammenfinden lassen. Auch geht es ausschließlich um Inhaltsangaben, nie um die Musik, und da zudem noch das Libretto nicht spannend nacherzählt wird, sondern Inhaltsangaben im Präsens geboten werden, die von Fragen und Bemerkungen unterbrochen werden, der Bezug zum Märchen als roter Faden sich durch das Buch zieht, wird suggeriert, dass  der Wert einer Oper sich an ihrer Nähe zum Märchen bemessen lässt. Geht es, selten genug, wirklich um die Oper, so um die Stimmgattungen, dann werden nur die Bezeichnungen, also Sopran usw. genannt, aber nicht einmal erwähnt, dass es um die Höhe der jeweiligen Stimme geht. Dass auch einmal ein Pamino erwähnt wird oder  der Inhalt vom Barbiere nicht ganz korrekt wiedergegeben wird und Hänsel und Gretel ohne Taumännchen und Engelsschar auskommen müssen, spielt dabei eine untergeordnete Rolle.

Auch Kinder dürften die Rahmenhandlung als zu betulich-neckisch-sentimental ansehen, und sie werden dazu gebracht zu glauben, dass Opern, wie der Text mehr als nahelegt, besondere Märchen sind, nur weil Ricciarelli  diejenigen ausgewählt hat, die das mehr oder weniger glauben machen wie Elisir, Falstaff, Barbiere, Cenerentola, Zauberflöte und Barbiere.  Il Canto, der doch im Titel zumindest in Verbform vorkommt, spielt so gut wie keine Rolle außer im Anhang, in dem CDs und  DVDs, möglichst mit dem Sopran unter den Mitwirkenden, empfohlen  werden. Hübsch ist das Cover mit einer von Opernfiguren umgebenen jugendlichen Katia Ricciarelli, ansprechend sind auch die Zeichnungen von Desideria Guicciardini im Buch (Edizione Piemme, Mailand 2016, ISBN 978-88-566-5248-2). Ingrid Wanja

  1. Peter Kolenda

    Seit meinem ersten Opernbesuch 1979 in München als ich die Ricciarelli in „Un ballo in mascera“ das erste Mal live erleben durfte bin ich ein grosser Opernfan von Ihr. Ich habe diese unglaublich gefühlvoll singende Frau ca 30 mal in ca 10 verschiedenen Partien erlebt. Ihr Piano ist bis heute „Unerreicht“. Peter Kolenda

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