Archiv für den Monat: März 2016

Balfes „Satanella“

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Raymond Walker, der unermüdliche Chef der Victorian Opera Northwest in Manchester, ist Liebhabern der englischsprachigen Oper nicht unbekannt. Ist er doch für die Neu-Aufnahmen mancher britischer Titel verantwortlich: Balfes The Maid of Artois (auf Cameo), Wallace´s Lurline (Naxos), MacFarrens Robin Hood (Naxos) – letztere beide enthusiastisch von Kurt Gänzl in operalounge.de besprochen. Und andere Projekte mehr – so wie jetzt Balfes Satanella, von der es bislang nur eine ziemlich gewöhnungsbedürftige und kaum zu hörende alte BBC-Aufnahme von 1977 gibt (Michael Thomas Records/Brian Galloway/Balfe Society London), der sich aber nun Richard Bonynge auf der neuen Aufnahme bei Naxos (8.660378-79) angenommen hat.

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Die Aufnahme selbst hat viele Meriten, vor allem gegenüber dem alten Live-Mitschnit unter Brian Holloway bei Michael Thomas (und der auf der CD der Balfe-Society sooo schlecht nun auch nicht wieder klingt). Aber letztere besitzt einen ganz entscheidenden Vorteil: Sie hat eigentlich Dialoge. Wieder einmal legt Richard Bonynge eine Balfe-Einspielung ohne die für dieses Operngenre typischen, unbedingt nötigen Sprechtexte vor. Das hat er bereits mit der eher mittelmäßig-langweiligen Aufnahme des Bohemian Girl bei Decca gemacht. Und so sehr ich um die finanziellen Engpässe und Funding-Probleme einer solchen, mit Liebe und privater Energie, erstellten Einspielung weiß (und die versammelten Anstrengungen außerordentlich würdige und unterstütze), so sehr ärgere ich mich über diese Ausgabe. Das ist wie Fidelio, Zauberflöte, Fra Diavolo oder Oberon ohne Dialoge. Das ist wie alte Opern-Querschnitte der Fünfziger. Das nützt dem Werk gar nicht. Man hat letzten Endes dann nur eine musikalische Revue vor sich. Raymond Walker beeilt sich auf meinen Protest hin auf die Vollständigkeit der musikalischen Nummern hinzuweisen und dass sich durchaus auch ausgiebige Rezitative in manchen Nummern fänden (für deren Italianità ja Balfe berühmt war). Und sicher: Es gibt das Libretto als Download bei Naxos und gegen einen Aufpreis von 2 Pfund auch de Luxe bei der Victorian Opera Northwest zu kaufen. Aber das ist ja nicht dasselbe. Man hört´s ja nicht und verliert beim suchenden Mitlesen auch den Faden und das Interesse. Ich hatte gehofft, die Zeiten von reinen Musiknummern seien vorbei, weil man so eben keine Handlungs-Oper hört, sondern einen bunten Abend.

Wie auch immer – wie Freund Kevin Clarke von ORCA gerne sagt: Ist wie ist. Denn der Rest ist wirklich mehr als ordentlich, Bonynge und das sehr klangvolle Orchester allemal, die Solisten ebenfalls (der Tenor „meckert“ ein wenig, der Sopran dagegen ist superb). Sie machen alle einen guten Job. Und Balfe macht Spaß! Alles in allem ist dies ein gelungenes Werk der Liebe – auch ohne Dialoge. Aber damit eben auch etwas unbestimmt als Genre. Ist wie ist. G. H.

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Balfes "Satanella" in Covent Garden/ Wiki

Balfes „Satanella“ in Covent Garden/ Wiki

Hier nun Matthias Käther mit seinen Eindrücken von der neuen Aufnahme: Denkt man an englische Oper, dann fallen einem vielleicht Purcell und Britten ein, aber was ist eigentlich in den 200 Jahren dazwischen passiert? Das Label Naxos bemüht sich seit einigen Jahren, die großen britischen Erfolgsschlager des 19. Jahrhunderts neu aufzunehmen. Jetzt brandneu erschienen: Satanella von Michael William Balfe (1808-70). Man könnte Balfe ohne große Übertreibung als wichtigsten britischen Opernkomponisten zwischen Purcell und Britten bezeichnen – aber dann wären die Iren sauer. Balfe hat unendlich viel für die Londoner Opernszene getan, stammt aber aus Dublin, irischer geht’s kaum. Als er begann, englische Opern zu schreiben, hatte er schon eine abenteuerliche Karriere hinter sich: italienische Jahre als Violinist, Bariton und Komponist, mit der Malibran auf Tour, bei Rossini zum Tee. Er schenkte Großbritannien einen eigenwilligen, aber süffigen Opernstil, der an generic cialis online Facettenreichtum weit über das hinausreicht, was Sullivan komponiert hat. Er verband nämlich seine italienischen Belcanto-Erfahrungen originell und bruchlos mit einem melancholischen irischen Hang zur verträumten Ballade. Beides war für die Briten wie Fett und Zucker, sie liebten seine Musik, die vielleicht für unseren Geschmack heute zuweilen ein bisschen zu sentimental klingt, (Summchöre 50 Jahre vor Puccini!), aber das irische und britische Herz aufblühen ließ. Und vermutlich immer noch lässt.

Seit einigen Jahren präsentiert Naxos in Kooperation mit der Victorian Opera Northwest alte Superhits der britischen Opernbühne. Viele davon waren auch mir völlig unbekannt. Zum Beispiel gibt’s in der Reihe eine Robin-Hood-Oper von George MacFarren und eine Loreley von William Wallace. Handelt es sich bei solchen Ausgrabungen eher um lokale Blüten, die – ähnlich wie manche spanische Zarzuela – ihren Reiz einbüßen, wenn sie über die Landesgrenze in fremde Gefilde und fremde Ohren gerät? Nicht unbedingt. Dass hier eine spannende internationale Tradition abgerissen ist, hat auch mit der zutiefst humorlosen post-wagnerianischen Epoche zu tun, in der sich unser heutiger Repertoirespielplan (leider!) herausgebildet  hat. Denn diese romantischen Opern der Briten waren nie ganz bierernst gemeint, hatten immer jede Menge komische Elemente und waren große Entertainment-Abenteuer, man könnte sagen: Musicals des 19. Jahrhunderts. Kaum denkbar, dass sich das ein Möchtegern-Sarastro anhören würde, der glaubt, Oper wäre nur für elitäre Ohren da und nur höheren Eingeweihten vorbehalten.

„Satanella“/ Illustration zur Uraufführung/wiki

Nicht, dass man da in jedem Fall viel verpasst hätte. Hand aufs Herz – ich kann mir auch ein Leben ohne MacFarrens Robin Hood vorstellen. Aber ob ich nach dem Anhören von Satanella weiter auf Balfe verzichten möchte – ich weiß nicht recht. Der Mann ist wirklich gut! Bezeichnenderweise war Balfe als der talentierteste dieser Londoner Komponistenriege immer populär in Wien, und wurde vermutlich sehr beäugt von späteren Operettenkomponisten wie Johann Strauß und Franz von Suppé. Gerade in der Satanella hören wir viel Wiener Operette durch, so dass man durchaus sagen kann, Balfe war mit Offenbach zusammen ein Vater der Operette. Natürlich auch mit großem Einfluss auf seinen Landsmann Arthur Sullivan, den bekanntesten englischen Operettenkomponisten.

Satanella war einer der größten Erfolge Balfes – auch international, und ist deshalb sehr zu Recht hier in dieser spannenden Naxos-Reihe zu hören. Ein sehr inspiriertes, wirklich schönes Werk zum Mitsummen und Fußwippen aus den 1850er Jahren, das sich hinter keiner Suppé-Operette verstecken muss, und vielleicht auch eins der pfiffigsten, was das Libretto angeht. Die Handlung hat durchaus Ähnlichkeit mit heutigen Hollywood-Blockbustern. Rupert, ein spielsüchtiger Adliger, versucht in seiner Verzweiflung, den Teufel zu beschwören, um seine Schulden loswerden zu können, aber irgendetwas läuft schief. Statt des Höllenfürsten erscheint eine süße Dämonin Satanella, die eine Menge Schaden anrichtet, weil sie sich in Rupert verliebt, der seinerseits aber längst vergeben ist und Lelia heiraten will.- Diese Konstellation plus einer Menge eifersüchtiger Männer und Frauen lassen den Helden viele Abenteuer erleben. So wird etwa seine Lelia von Piraten entführt und auf einem orientalischen Markt als Sklavin verkauft, ein Markt übrigens, der verdächtige Ähnlichkeit mit dem aus Flotows Martha hat – zumindest musikalisch.

Ausserordentlich beliebt: Balfe-Kompositionen für den Hausgebrauch/ OBA

Ausserordentlich beliebt: Balfe-Kompositionen für den Hausgebrauch/ OBA

Fast perfekte Umsetzung – doch ohne Dialoge! Den Dirigenten Richard Bonynge muss man einem Opernpublikum kaum noch vorstellen. Dies ist quasi schon der 3. musikalische Frühling von Richard Bonynge. Nach dem Rückzug seiner Frau aus der Opernwelt hat er sich vor allem dem französischen Repertoire und der Operette gewidmet – und nun als 85-Jähriger kümmert er sich anscheinend vorrangig um britische Opern. Und das macht er wie eh und je ganz hervorragend. Altersschwäche kann man da nicht feststellen. Typisch für ihn ist nach wie vor die Fähigkeit, auch Unsolides elegant klingen zu lassen. Wenn er hier auch keine Sutherland an seiner Seite hat, so überstrahlt Sally Silver in der Titelpartie doch alle anderen Sänger, ein wunderbarer lyrischer Sopran mit enormer Leuchtkraft und ohne jede Herbheit. Den Tenor Kang Wang als Rupert finde ich persönlich ein wenig grau, ein wenig mehr Noblesse beim Vorsingen der Balladen hätte dem Werk gutgetan – aber insgesamt ist dies hier eine wirklich beglückend umgesetzte Entdeckung. Mit einer Einschränkung – wir hören nur die Nummern, nicht die Dialoge, was den Reiz des Werkes mindert. Man muss es ja nicht ausufern lassen, knappe einminütige Überleitungen hätten gereicht. Aber so ganz ohne verbindende Handlungselemente geht eben doch viel von der Story und damit auch vom bizarren Zauber dieses alten Opernhits verloren. Matthias Käther

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Und der definitive Kenner des Genres, Kurt Gaenzel, schreibt dazu (auf seinem hochindividuellen Blog und bei ORCA): Satanella was one of the dozen or so most popular and successful English operas of the Victorian era, of which a disproportionate number were launched by the Louisa Pyne/William Harrison company over a period of just a seven years (The Rose of Castille, Lurline, The Lily of Killarney) from 1857 onwards. A disproportionate number, too, were the work of Irish composer William Balfe (The Bohemian Girl etc), and Satanella shows him at his best, the traditional English opera strains (and dialogue) tempered just enough by his Italian training and experience to produce a score which is one of the most effective, lush and beautiful of the era.

Victorian Opera Northwest have already given us complete modern recording of Balfe’s previously unrecorded The Maid of Artois and a very fine new Lurline as well as Macfarren’s Robin Hood (another of the top twelve): now, happily, they have turned to Satanella and have, in my opinion, and not just because I like this opera – music and book — the best, topped cialis incontinence all their previous efforts in practically every department: recording values, the orchestra under Richard Bonynge, chorus and soloists are all quite superb. I will bet that Balfe never heard his opera sound as rich, flowing and just plain huge as this, even with the superb Miss Pyne and Messrs Harrison (in well-tailored parts) and Weiss singing the leads, in 1858-9, on the stage of the Theatre Royal, Covent Garden.

„Satanella“: The Strauss sisters, Leila and Asmodée, 1853, by Jan Ksawery Kaniewski/ Wiki

The extremely hit song of the hit show was ‘The Power of Love’ sung by the demoness Satanella to close the first act. No bravura, this, as in The Maid of Artois, but a beauteous, emotional air which went on to be a hugely popular concert item. Don’t worry, the traditional bravura comes in the second act instead, there is a cabaletta to end the third, and a stunning 4th act curtain: quite simply everything any prima donna could ask for. ‘The Power of Love’, and Miss Pyne’s role, are here absolutely splendidly sung by Sally Silver/ Satanella, who we have heard already as Lurline, and she is teamed with a first-rate tenor/ Rupert, Kang Wang, whose sweet and soaring voice is perfect for the demanding sentimental music of the piece’s hero, and whose dramatic passages ring out vigorously and excitingly, in the shining performance of this recording.

The expansive bass role of the fiend, Arimanes, created by the then top bass in Britain, Liverpudlian Willoughby Weiss, is here efficiently sung by a bass-baritone (Trevor Bowes), and the pretty songs belonging to the considerable role of the ingénue Leila, originally played by Britain’s most versatile soprano, Rebecca Isaacs, are delightfully treated by Catherine Carby.

British writers – unlike most Italians of the time, with their inexorably tragic tales – were not afraid to put comic and lighter moments into their texts, and Satanella has its share of these. The comedian/tenor Alfie St Albyn had a sighing swain number which best place buy cialis online forum Anthony Gregory delivers in spot-on fashion, and a jolly Pirate, half Enchantress and half Pirates of Penzance, from ‘merry Tunis’,written for another comic player, Henri Corri, here get suitable service from Frank Church. The pure comedy went to singing actor, George Honey (here Quentin Hayes) as a useful tutor who strengthened the bass line when Arimanes was off-stage. The seven principals (Arimanes is off, here) join in a rousingly sung septet with chorus, in the 3rd act, which show Balfe and the forces of Victorian Opera Northwest at their very finest.

"Satanella": Theraterzettel/wiki

„Satanella“: Theaterzettel/wiki

And that home-made material stood on an equal footing in a repertoire with Lucrezia Borgia, Der Freischütz and Il Trovatore. So why have Satanella and its fellows been allowed to drop from the repertoire? Inverted snobbery? Hopefully, this first-class recording will open the eyes and ears of those who produce English opera. Now that there is a brand new performing text and score available, there’s no excuse for its not finding itself back to the stages of the world in double quick time.

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Inhalt/Synopsis/ CD 1 [1] Preludio/ Act I: Scene 1: The Palace and Gardens of Count Rupert/ [2] A garden fête opens the scene. Count Rupert’s tutor, Hortensius, arrives [3] with Rupert’s half sister, Lelia. She sings a love song [4] in her happiness to see him again. Rupert gives her a ring in memory of their happy childhood. [5]A furious Stella, jealous of Rupert’s transfer of affection, threatens until calmed by Hortensius. In a game, Rupert gambles 1000 crowns and loses. He continues and loses both his property and lands. Stella is glad, yet Lelia offers her promise of support./ Scene 2: A Gothic library in the Demon’s tower/ [6] Karl, servant to Rupert, sings of his love for Lelia. Rupert and Hortensius enter the Tower to escape a threatening storm. He tells of a legend shown in the hanging tapestry of how an ancestor made a pact with the devil to sell his soul for money. He reads how to summon Arimanes, King of the Demons, with a spell. [7] Arimanes appears with Satanella whom he changes into a page to watch over Rupert. She conjures up a banquet and full of joy Rupert sings a drinking song [8], during which Hortensius falls asleep and the page disappears. [9] A wooden panel now opens to reveal Satanella who admires the sleeping Rupert. After her aria [10] she kisses him and he awakes thinking it must be a dream, but hears the singing again before the curtain falls.

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Act II: Scene 1: A magnificent hall/ [11] Satanella soliloquises about how her service to Arimanes has filled her with hate and misery. Rupert realises that she needs recompense for restoring his wealth. With mysterious emotion, [12] Rupert sings about how in his sleep a vision of beauty had appeared./ Scene 2: A sea coast / [13] Pirates come ashore, led by Bracaccio, [14] in search of pretty girls to kidnap. Karl confesses to them his jealousy of Rupert’s affection to Lelia. They invite him to join the crew, who can kill Rupert and carry off Lelia./ Scene 3: Lelia’s cottage by the coast/ [15] Satanella sings of her difficult love for Rupert, and notes his goodness. She tells Stella of his love for Lelia, and their preparation for marriage. A jealous Stella gives gold for the pirates to carry off Leila. Satanella takes Lelia’s place under the bridal veil. Peasants enter [16] and a bridal procession arrives [17]. [18] Rupert comes with Hortensius to escort his bride to the church: a thunderbolt strikes Satanella, who falls into Rupert’s arms. Horrified, Rupert realizes the trick played, and [19] leads the peasants to follow the pirates to find Lelia.

CD 2/ Act III: Scene 1: A Cavern/ [1] Spirits summon Satanella to their King. [2] Arimanes is furious: she has disobeyed and must swear to bring Rupert’s soul to him within 30 days. Satanella agrees./ Scene 2: The bazaar and slave market/ [3] A cheerful market scene darkens when Lelia is brought to be sold as a slave. [4] Rupert enters to bid 2000 coins for her, but a wealthy Vizier doubles the bid. Bidding goes up to 30,000 and the Vizier still won’t give way. [5] Karl and Hortensius share Rupert’s worry: he wants to die and Lelia’s thinks her love for him is lost. [6] Satanella appears as a Sultana of Tunisia to weave her charm, so Rupert decides to sell her his soul to save Lelia. [7] She sings happily that Rupert is now her slave. Lelia is released, and rushes into Rupert’s arms. [8] Satanella considers that true mortal love is never bought or sold.

"Saranella"/ Bühnenbild zum 3. Akkt/ Balfe Society

„Satanella“/ Bühnenbild zum 3. Akt/ Balfe Society

Act IV: The Demon’s tower/ [9] Nearby, serenaders sing of lovers’ blissful dreams. Rupert is to marry Lelia in an hour at midnight and [10] sings of his love for her. As the clock strikes midnight the scene darkens. [11] An eerie light reveals Satanella who reminds Rupert of their contract. Lelia enters with Hortensius and she sings that Heaven will show him and Satanella mercy. Lelia threatens to kill herself in order to be free of this love. [12] Satanella softens through the power of love and wishes to change from a demon into an angel. She burns the contract and falls to her knees in prayer. Lelia gives Satanella her rosary. A furious Arimanes appears with his demons, yet the rosary shields Satanella from harm and a church organ plays as she rises to Heaven on a cloud. The scene transforms to reveal Lelia’s wedding ceremony taking place./ Raymond J Walker (aus dem Booklet zur Aufname)

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Eine vollständige Auflistung der bisherigen Beiträge findet sich auf dieser Serie hier.

Gegam Grigoriam

 

„Wer war doch noch …?“:   In unserer Serie über weitgehend vergessene Sänger erinnern wir an uns wichtige Personen, die oft nur wenige oder keine Spuren hinterlassen haben, die aber für ihre Zeit und für den Fortbestand von Oper und Konzert so immens wichtig gewesen sind. Es waren und sind ja nicht allein die Stars, die die Oper am Laufen halten, sondern die Sänger der Nebenrollen und Komparsen, auch die Provinzsänger, die Diven und Heroen aus den kleineren Orten, wo Musik eine ganz andere Rolle spielte als hochgehypt in den großen Städten. Vor allem vor dem Krieg, aber auch in den Fünfzigern und Sechzigern hatte allein in Deutschland jedes der 36 und mehr Theater seine eigene Primadonna, seinen Haustenor und  langlebigen Bariton, die von der Operette bis zu Mozart und Wagner alles sangen. Das macht Oper aus. Nicht (oder nicht nur) die Auftritte der umjubelten Stars.

 

Mit Bedauern hörten wir vom Tod des armenischen Tenors Gegam Grigoriam, der am 23. März 2016 in seiner Heimatstadt Jeriwan im Alter von nur 65 Jahren Jahren starb. Er war einer der leuchtenden Tenöre in den Philips-Aufnahmen aus dem Mariijnsky und war zudem ein gern gesehener Gast in den internationalen Bühnen.

Gegam grigoriam: Nach dem "Mazeppa" am Mariijnsky - Gergiev, Queler und Grigoriam/ Foto Queler

Gegam Grigoriam: Nach dem „Mazeppa“ am Mariijnsky – Valery Gergiev, Eve Queler und Gegam Grigoriam/ Foto Queler

Eve Queler, die einige Male mit ihm zusammenarbeitete, namentlich bei ihrem konzertanten Mazeppa in der New Yorker Carnegie Hall, erinnert sich: „I am so sorry to hear this. What a nice man and nice colleague. He sang with me at Carnegie Hall, Mazeppa on May 2,1993 and Verdi Giovanna d’Arco on May 8,1996. Before the Mazeppa in Carnegie Hall I guest conducted the production Mazeppa at the Maryinski in St. Petersburg in Russia. That was his first performance of that role which he learned for me to do it at Maryinski and Carnegie Hall. Maestro Gergiev personally prepared him for these performances. He was a lovely colleague. After the performance of Mazeppa at the Maryinski, we were invited to his apartment, my daughter Liz and I along with a few friends of Gegam and Maestro Gergiev. After singing the whole night his first performance of that opera Grigorian proceeded to personally cook dinner for us. We had many vodkas drinking to the collaboration between our two countries. Gergiev also proposed a toast „to all mothers“.

 

Gegam Griugoriam: "Aida"/ youtube

Gegam Grigoriam: „Aida“/ youtube

Im Folgenden wieder eine Biographie aus dem tapferen Kutsch/Riemens Opernlexikon: Grigorjan, Gegam, Tenor, (* 1951 (?) in Armenien – gestorben 23. März 2016 in Jeriwan); nach seiner Ausbildung wurde er Preisträger beim Glinka-Wettbewerb 1975 und später beim internationalen Tschaikowsky-Concours in Moskau (1982). Er setzte seine Ausbildung in der Opernschule der Mailänder Scala fort. Zuerst sang er an den Opernhäusern von Eriwan und Wilna; 1989 trat er am Opernhaus von Lwów (Lemberg) als Cavaradossi in »Tosca« auf. 1990 wurde er an das Marijnskij Theater St. Petersburg (ehedem Kirow-Oper Leningrad) berufen und begann nun bald mit einer großen internationalen Bühnenkarriere. Er gastierte zusammen mit dem Petersburger Ensemble zu Beginn der neunziger Jahre im Rahmen von Europa- und Nordamerika-Gastspieltourneen. 1991 sang er in Amsterdam den Gennaro in »Lucrezia Borgia« von Donizetti; später trat er mit Nellie Miricioiu als Andrea Chénier von Giordano, mit Margaret Price als Maurizio in »Adriana Lecouvreur« von Cilea, in »Die Zauberin« von Tschaikowsky und als Peter Besuchow in einer konzertanten Aufführung von Prokofieffs »Krieg und Frieden« auf. Die letztgenannte Partie sang er dann auch an der Opéra Bastille Paris. 1993 kam er bei seinem Debüt an der Covent Garden Oper London als Lenski im »Eugen Onegin« zu einem großen Erfolg, 1994 sang er an der Oper von Rom den Radames in »Aida«, am Teatro Carlo Felice Genua den Pollione in Bellinis »Norma« (auch 1995 in Washington in einer konzertanten Aufführung der Oper, 1994 an der Oper von Monte Carlo wiederum den Lenski, in Paris die Titelrolle in »Sadko« von Rimsky-Korssakow, 1995 in der Arena von Orange den Radames, 1995 am Teatro Comunale Florenz, 1996 an der Oper von Santiago de Chile den Riccardo in Verdis »Ballo in maschera«, 1996 bei den Festspielen von Orange und in konzertanten Aufführungen in Rom) den Alvaro in »La forza del destino«, in Wiesbaden den Cavaradossi in »Tosca« (als Partner von Eva Marton), am Teatro Comunale Florenz den Turiddu in »Cavalleria rusticana«. 1995 gastierte er an der Metropolitan Oper New York als Hermann in »Pique Dame«, eine seiner Glanzrollen. Weitere Höhepunkte in seinem Bühnenrepertoire waren der Wladimir in »Fürst Igor« von Borodin und der Dimitrij im »Boris Godunow«.

 

Gegam Grigoriam: "La Forza del Destino", Finale/ youtube

Gegam Grigoriam: „La Forza del Destino“, Finale/ youtube

[Nachtrag] Grigoriam, Gegam, * 1952 (?) Eriwan (Armenien); er sang zuerst an der Oper von Vilnius (Wilna), gastierte u.a. am Bolschoj Theater Moskau und trat seit 1989 am Marienskij Theater St. Petersburg auf. 1993 gastierte er bei den Festspielen in den Thermen des

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Caracalla in Rom als Turiddu in »Cavalleria rusticana«. In Washington sang er 1996 die Titelrolle in einer konzertanten Aufführung von Verdis »Ernani«, 1997 an der Staatsoper Hamburg den Manrico im »Troubadour«, 1998 an der Oper von Monte Carlo den Riccardo in Verdis »Un Ballo in maschera«, an der Mailänder Scala den Fürsten Galizyn in »Khovantchina« von Mussorgsky, den er 1998 wie auch den Dimitrij im »Boris Godunow« bei einem Gastspiel der Oper von St. Petersburg am Teatro Colón Buenos Aires vortrug. 1998 trat er an der Oper (Marienskij Theater) von St. Petersburg als Alvaro in Verdis »La forza del destino« auf, in der Spielzeit 1998-99 an der Oper von Baltimore als Canio im »Bajazzo«, in der Carnegie Hall New York in »Jolanthe« von Tschaikowsky, am Teatro Fenice Venedig als Radames in »Aida«, in Barcelona und in Rom als Pollione in »Norma«. – Schallplatten: Philips (Hermann in »Pique Dame«, Lenski im »Eugen Onegin« und Vaudemont in »Jolanthe« von Tschaikowsky, vollständige Opern »Krieg und Frieden«, »Sadko« und »Fürst Igor«; manches davon auch als Video). Philips (Alvaro in »La forza del destino« in der Urfassung der Oper von 1862). [Lexikon: Grigoriam, Gegam. Großes Sängerlexikon, S. 9506/ (vgl. Sängerlex. Bd. 6, S. 347) (c) Verlag K.G. Saur]

Maurice Maiewski

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Wer war denn noch:   In unserer Serie über weitgehend vergessene Sänger erinnern wir an uns wichtige Personen, die oft nur wenige oder keine Spuren hinterlassen haben, die aber für ihre Zeit und für den Fortbestand von Oper und Konzert so immens wichtig gewesen sind. Es waren und sind ja nicht allein die Stars, die die Oper am Laufen halten, sondern die Sänger der Nebenrollen und Komparsen, auch die Provinzsänger, die Diven und Heroen aus den kleineren Orten, wo Musik eine ganz andere Rolle spielte als hochgehypt in den großen Städten. Vor allem vor dem Krieg, aber auch in den Fünfzigern und Sechzigern hatte allein in Deutschland jedes der 36 und mehr Theater seine eigene Primadonna, seinen Haustenor und  langlebigen Bariton, die von der Operette bis zu Mozart und Wagner alles sangen. Das macht Oper aus. Nicht (oder nicht nur) die Auftritte der umjubelten Stars.

Der französische Tenor Maurice Maiewski, den  Plattensammler von der ersten Gesamtaufnahme von Aubers Muette de Portici als Masianello in Erinnerung haben mögen (MRF und andere), starb am 10. März 2016 im Alter von 78 Jahren.  Angesichts der eher selteneren Vertretung von Franzosen im großen Tenorfach wie Otello oder Radamès hielt er durchaus die Ehre seines Herkunftslandes hoch. Der Sänger, dessen eigentlicher Name Maurice Machabanski war, erhielt seine Ausbildung seit 1957 am Conservatoire National de Paris. Diese wurde durch seine Einberufung zur Armee im Algerien-Krieg unterbrochen. So debütierte er erst 1962 am Opernhaus von Reims als Dimitrij im Boris Godunow. Im folgenden Jahr 1963 wurde er an die Grand Opéra Paris verpflichtet. auber muette maiewski mrfDa man ihm dort überwiegend nur kleinere Rollen zuwies, gab er dieses Engagement 1966 auf und trat mit großem Erfolg an Theatern in der französischen Provinz auf, war aber 1969-71 nochmals an der Grand Opéra Paris engagiert. Bei den Festspielen von Glyndebourne gastierte er 1971 als Hermann in Pique Dame von Tschaikowsky, 1972 als Bacchus in Ariadne auf Naxos von R. Strauss. 1974 war er am Théâtre de la Monnaie in Brüssel, 1975 am Grand Théâtre Genf, 1972 als Erik in Wagners Holländer in Santa Fé, 1977 an der Scottish Opera Glasgow, 1981 in Dublin zu Gast. An der Wiener Staatsoper war er 1978 als Don José in Carmen zu hören, er gastierte in Palermo, Madrid, im Haag, in Montreal, Santa Fé und Montevideo, am Bolschoj Theater Moskau und in Teheran. 1974 sang er am Opernhaus von Rouen in der Uraufführung der Oper Antoine et Cléopâtre von E. Bondeville.

Maurice Maiewski mit Christiane Eda-Pierre in "Les Cointes d´Hoffmann"/ youtube

Maurice Maiewski mit Christiane Eda-Pierre in „Les Cointes d´Hoffmann“/ youtube

Er führte seine Karriere, vor allem in der französischen Provinz, bis in die frühen achtziger Jahre fort. Sein Bühnenrepertoire setzte sich aus Partien wie dem Pollione in Norma, dem Radames in Aida, dem Titelhelden im Don Carlos von Verdi, dem Turiddu in Cavalleria rusticana, dem Canio im Bajazzo, dem Otello von Verdi, dem Andrea Chénier in der Oper gleichen Namens von Giordano, dem Florestan im Fidelio, dem Samson in Samson et Dalila von Saint-Saëns und dem Tambourmajor im Wozzeck von A. Berg zusammen..

Maurice Maiewski als Don José mit Victoria Vergara/ Carmen in Seattle 1982/ Steattle Opera/ Foto Chris Bennion

Maurice Maiewski als Don José mit Victoria Vergara/ Carmen in Seattle 1982/ Seattle Opera/ Foto Chris Bennion

Später unterrichte Maiewsky am Pariser Conservatoire und machte sich einen Namen als erfolgreicher Lehrer für den Nachwuchs, so zählen Avi Klemberg, Debria Brown und andere zu seinen Schülern.(Quelle: u. a. Der Online.Merker)

Rodney Milnes schrieb 1973 im englischen Spectator anlässlich von Maiewskys Herrmann in Glyndebourne: „The tone of Maurice Maievsky’s tenor may not be quite as seductive, but power rather than beauty is needed for Hermann, and power M Maievsky certainly has. Indeed, this French tenor’s considerable acting abil- ity and intense appearance makes him some- thing of an operatic Nureyev. These three are making their British debuts, which says a lot for Glyndebourne’s talent scouts…Maievsky is quite capable of sustaining the tension of the barracks scene without any such outside help.“  Maiewskys eindrucksvolle, wenngleich vielleicht später nicht sonderlich subtile, kraftvolle und leistungsfähige Tenorstimme ist in manchen Dokumenten bei youtube nachzuhören, so als Hoffmann neben Eda-Pierre oder als Otello und Raddamès neben Dimitrova u. a. Schallplatten: MRF (Masaniello in La Muette de Portici von Auber), in Bizets Carmen neben Maria Callas und Nicolai Gedda bei EMI. G. H. 

Für die französischsprachigen Leser gibts hier noch einen Beitrag zu Maurice Maiewski vom Blog des Melomanen Franz Muzzano (nach eigenen Angaben:Écrivain, musicien et diplômé d’Histoire de la Musique, j’ai la chance, depuis plus de 40 ans, de fréquenter les salles de concerts et les maisons d’opéras, et souvent aussi leurs coulisses), der einen schönen Nachruf geschrieben hat und den Tenor selbst auch zu Wort kommen lässt:  Maurice Maiewski (11. Januar 1938 – 10. März 2016): Il est plus que probable que beaucoup se demanderont, à la lecture de ce nom et à la vue de cette photo : „Mais qui est-ce ? Un chanteur russe, probablement, en tout cas slave ? Un ténor, probablement, vue l’apparence…Catégorie „Hommage“, donc il vient de mourir…Son nom me dit vaguement quelque chose…“.

Maurice Maiewski: Radamès/ Künsterpostkarte

Maurice Maiewski: Radamès/ Künsterpostkarte

Et il est vrai que Maurice Maievski est aujourd’hui bien oublié, à tel point que sa disparition est passée tellement inaperçue qu’il a fallu que je l’annonce moi-même à certains de ses collègues et Il est plus que probable que beaucoup se demanderont, à la lecture de ce nom et à la vue de cette photo : „Mais qui est-ce ? Un chanteur russe, probablement, en tout cas slave ? Un ténor, probablement, vue l’apparence…Catégorie „Hommage“, donc il vient de mourir…Son nom me dit vaguement quelque chose…“.

 Et il est vrai que Maurice Maievski est aujourd’hui bien oublié, à tel point que sa disparition est passée tellement inaperçue qu’il a fallu que je l’annonce moi-même à certains de ses collègues et amis, ainsi qu’à l’une de ses élèves. Il avait probablement des origines slaves, son véritable nom étant Maurice Machabanski, mais il était bien Français, né à Paris le 11 janvier 1938. Et le morphotype ne trompe pas, il était bien ténor. Maievski était son nom d’artiste, avec ou sans tréma, avec un „v“ ou un „w“ au milieu et un „i“ ou un „y“ à la fin. Tout cela selon les programmes ou les affiches. Mais tout de même, ce nom vous dit quelque chose. Bien…Sortez de votre discothèque la version de Carmen dirigée par Georges Prêtre avec Maria Callas et Nicolai Gedda, enregistrée à la Salle Wagram entre le 6 et le 20 juillet 1964. Regardez qui chante le Remendado. Ils s’y sont mis à deux pour ce rôle épisodique : Jacques Pruvost et…Maurice Maievski. C’est, à ma connaissance, le seul disque officiel où il apparaisse.

Il était entré au Conservatoire de Paris en 1957 en étant baryton, il en sortit ténor, après avoir dû interrompre ses études pour cause de guerre d’Algérie. Cursus bref mais apparemment efficace, puisqu’il fait ses débuts en 1962, dans le rôle de Dimitri de Boris Godunov à l’Opéra de Reims. Dès 1963, il est engagé à l’Opéra de Paris, où il enchaîne les seconds rôles durant trois ans. Excellent moyen d’apprendre le „métier“, surtout quand on bénéficie d’un bon de sortie pour un Turiddu à Favart. Mais il était difficile de se faire une place à Garnier, les ténors de premier plan étant nombreux à l’époque. Alors direction les théâtres de Province, où il chante un nombre incalculable de „grands rôles“ : Don José, Roméo, Hoffmann, Chénier, Cavaradossi, Werther, Faust et même Lohengrin. De retour à Paris de 1969 à 1971, il y interprète Canio ou Dick Johnson à Favart, et José, Don Carlos ou Mario à Garnier, avant de quitter définitivement la „Grande Boutique“ (il ne fut donc pas victime de la dissolution de la Troupe imposée par Liebermann). C’est à nouveau dans tous les théâtres de France que l’on pourra l’entendre, mais aussi à l’étranger. Invité à Glyndebourne, il y chante Hermann en 1971 et Bacchus en 1972. Le Bolshoï l’accueille en Radames, ainsi que Genève, Bruxelles, Palerme, Philadelphie, Madrid, Santa Fé, Montevideo, Téhéran et bien d’autres lieux. Il aborde alors des rôles plus „lourds“, tels Florestan, Samson ou Otello.

Maurice Maievsk, Viorica Cortez Annick Duc - Création d'"Antoine et Cléopatre"/ Rouen 1974/ Théatre de Rouen

Maurice Maiewski, Viorica Cortez Annick Duc – Création d'“Antoine et Cléopatre“/ Rouen 1974/ Théâtre de Rouen/ Foto Muzzano

Mais au milieu des annés 80, sa carrière subit un sérieux coup de frein. Les raisons en sont multiples, la principale étant que suite à un second mariage, il préféra privilégier la sécurité pour sa famille et assurer l’éducation de ses enfants, les contrats se faisant plus rares. Il se tourna alors vers l’enseignement, tout en continuant à se produire de temps en temps dans les théâtres de Province. J’ai ainsi pu le côtoyer lors d’une production de Rêve de Valse d’Oscar Straus en 1994 à Troyes, et il semble que sa dernière apparition ait eu lieu à Calais, le 9 mars 1997, dans le rôle de Pinkerton.

 Il est tout de même étonnant que cette carrière se soit arrêtée si tôt, les voix de ce calibre (quelque part entre spinto et ténor dramatique) n’étant pas légion en France. Lors de ma rencontre avec lui, j’avais pu sentir comme une certaine amertume, une évidente nostalgie de la scène. Il est vrai que le rôle de Fonségur était bien loin de ceux qu’il chantait encore une dizaine d’années plus tôt. Certains de ses collègues ont évoqué un „léger“ dilettantisme, l’un d’entre eux me parlant d’une production de Carmen qu’ils avaient donnée ensemble, avec une seule répétition. La version choisie était celle utilisant les passages parlés originaux…et Maurice ne les connaissait pas, ce qui fut assez peu apprécié. De même, pour cette représentation de Rêve de Valse, il se présenta à la Générale avec plus d’une heure de retard, provoquant la fureur de son amie, la regrettée Michèle Herbé, qui en assurait la mise en scène. Il est très possible que cette attitude ait pu lui nuire, une réputation étant très vite collée à la peau d’un artiste. D’autres, par ailleurs, se sont interrogés sur sa façon d’interpréter à peu près tous les rôles avec la même émission „sombrée“ et parfois en force. Une troisième catégorie, moins charitable, suggéra qu’il fut peut-être l’un des exemples du qualificatif accolé parfois aux ténors…jouant beaucoup sur son physique à la Corelli et sa prestance, et que cela se ressentait dans certaines interprétations.

Je préfère retenir sa très grande gentillesse. Maurice était tout sauf un chanteur qui se prenait pour une star, et avait le même comportement avec les chefs d’orchestre, les collègues, les choristes ou les machinistes. Profondément humain, il s’inquiétait de la santé de chacun, rassurait les angoissés d’un mot d’encouragement, se mélangeait aux „anonymes“ lors des repas. Il est vrai qu’entendre chanter Fonségur un peu comme si l’on avait Samson à côté de soi donnait quelque chose d’étrange, mais on l’oubliait très vite. Et, surtout, s’il est probable qu’il malmena sa voix en pensant souvent à „balancer“, il en connaissait pourtant parfaitement tous les arcanes de la technique. Ce fut notable dans son enseignement, et ses élèves du XXème arrondissement, d’Issy-les-Moulineaux ou d’ailleurs ont tous bénéficié de ses conseils avisés, parlant aujourd’hui de lui avec beaucoup d’émotion. L’une d’entre elles fut d’ailleurs Cio-Cio-San lors de sa dernière Butterfly à Calais. Les mots compétence, gentillesse et générosité reviennent sans cesse dans leurs propos, et s’il est possible qu’il ait quelque peu forcé sa voix, il n’abîma jamais celle d’un de ses élèves. Soucieux de tout transmettre, il avait aussi monté une petite troupe avec eux, ce qui leur permettait de mieux connaître le „métier“.

Et puis, il faut tout de même relativiser les avis par trop négatifs concernant ses aptitudes musicales. Car il ne se contenta pas du „grand“ répertoire, il participa aussi à quelques créations. À l’exemple de L’Ultimo Selvaggio de Gian Carlo Menotti, dont la première mondiale eut lieu à Favart le 21 octobre 1963, sous la direction de Jean-Pierre Marty. Ou encore d’Antoine et Cléopâtre d’Emmanuel Bondeville, en 1974 à Rouen aux côtés de Viorica Cortez. Je ne peux croire un instant qu’un „dilettante“ ait été choisi pour assurer des rôles dont il n’existait, par définition, aucune référence.

Alors je préfère m’en tenir à son choix de vie privilégiant sa famille, sans pour autant occulter les possibles failles d’une carrière qui fut somme toute assez courte. Et dont il ne reste que peu de témoignages. L’INA doit avoir dans ses tiroirs une représentation filmée des Contes d’Hoffmann où il côtoie Christiane Eda-Pierre et Gabriel Bacquier, serait-ce trop demander de suggérer une réédition ? (de trop brefs extraits sont visibles sur Youtube). Et retenir de lui, outre sa gentillesse, une voix qui pouvait atteindre des sommets, comme dans ce duo d’Otello capté à Rouen, où il accompagne les débuts dans le rôle de Desdemona d’une certaine Ghena Dimitrova. Franz Muzzano (mit liebenswürdiger Genehmigung des Autors)

Aafhe Heynis

 

„Wer war doch noch …?“:   In unserer Serie über weitgehend vergessene Sänger erinnern wir an uns wichtige Personen, die oft nur wenige oder keine Spuren hinterlassen haben, die aber für ihre Zeit und für den Fortbestand von Oper und Konzert so immens wichtig gewesen sind. Es waren und sind ja nicht allein die Stars, die die Oper am Laufen halten, sondern die Sänger der Nebenrollen und Komparsen, auch die Provinzsänger, die Diven und Heroen aus den kleineren Orten, wo Musik eine ganz andere Rolle spielte als hochgehypt in den großen Städten. Vor allem vor dem Krieg, aber auch in den Fünfzigern und Sechzigern hatte allein in Deutschland jedes der 36 und mehr Theater seine eigene Primadonna, seinen Haustenor und  langlebigen Bariton, die von der Operette bis zu Mozart und Wagner alles sangen. Das macht Oper aus. Nicht (oder nicht nur) die Auftritte der umjubelten Stars.

 

Bereits im Dezember 2015 starb die große holländische Altistin Aafje Heynis, und es ist bezeichnend für diese bescheidene und zutiefst „normale“ Künstlerin, dass wenig Aufhebens von ihrem Tode gemacht wurde – in Deutschland gab es kaum eine Meldung, auch nicht sonderlich viele im internationalen Ausland. Im eigenen Land brachte die wichtige website der Dutch Divas einen bewegenden Nachruf. Aber eigentlich ging Afje Heynis aus der Welt der Musik, wie sie gekommen war: unauffällig.

Afje Heynis in einer ihrer wenigen Bühnen rollen als Cornelia in Händels "Giulio Cesare"/ theaterencyclopedie.nl

Aafje Heynis in einer ihrer wenigen Bühnenrollen als Cornelia in Händels „Giulio Cesare“/ theaterencyclopedie.nl

Dabei gehörte sie zu den bedeutendsten Konzertsängerinnen ihrer Zeit. Ihre dunkle, volle und absolut strömende Altstimme ist auf unendlich vielen Aufnahmen bei Philips (und einigen wenigen EMI-Einspielungen) zu hören. Sie sang alles, was ihr Repertoire hergab, von Vivaldi und Monteverdi bis zu Mahler und der Moderne. Viele ihrer wunderbaren Aufnahmen bleiben im Gedächtnis, so das „Urlicht“ oder ihr „Buß´und Reu“, aber auch ihr Orfeo (von dem es bei EMI große Ausschnitte gibt) oder „Du bist die Ruh“ ebenso wie Schuberts „Ave Maria“. Der Zuhörer ist erfüllt von diesem beglückenden, satten und versichernden Klang, von diesem zutiefst protestantischen Gefühl der Hingabe an ihren Gott, von der Ernsthaftigkeit und Seriosität ohne jeden billigen oder extramusikalischen Effekt. 1983 gab sie ihren letzten Auftritt, bevor die tückische Alzheimer-Krankheit sich ihrer bemächtigte. Auf ihren vielen Aufnahmen lebt sie fort in unserem Gedächtnis. Danke dafür! G. H.

 

Afje Heynis im Konzert/ youtube

Aafje Heynis im Konzert/ youtube

Eine Biographie  findet sich in dem unverzichtbaren Kutsch/Riemens Opernlexikon: Heynis, Aafje, Alt, geb.  2.5.1924 Krommenie – gest. 17. Dezember 2015 in Blaricum/Huizen) ; Ausbildung seit 1946 durch Aaltje Noordewier-Reddingius in Hilversum, später durch Laurens Bogtman. Nachdem sie zuerst in Kirchenkonzerten aufgetreten war, sang sie 1958 zusammen mit dem Amsterdamer Concertgebouw Orchester die Alt-Rhapsodie von Brahms. Seitdem sehr große Erfolge als Konzert und Oratorien-Altistin in Holland, aber auch in Deutschland, Belgien, Frankreich und in der Schweiz. Auf der Bühne ist die Künstlerin nur einmal aufgetreten, und zwar 1956 in Amsterdam im »Wildschütz« von Lortzing. Sie setzte ihre Karriere bis 1984 fort. – Die üppige Altstimme der Sängerin wurde durch eine stilvolle Beseelung des Vortrages ausgezeichnet.

aafje-heynis-4861438Schallplatten: Philips (2. und 3. Sinfonie von Gustav Mahler), HMV (Querschnitt durch Glucks »Orpheus«), Telefunken (Madrigale und Concerti von Monteverdi), CRA-Rivo Alto (»Sulla Passione di Cristo« von Vivaldi) und viele, viele mehr.

[Nachtrag] Heynis, Aafje; sie war auch Schülerin von Roy Henderson. Sie trat als Konzertsolistin in Österreich, in England und Irland sowie in einer großen Asien-Tournee auf. 1969 erschien sie ein weiteres Mal auf der Bühne, und zwar in Amsterdam in »Giulio Cesare« von Händel. Sie lebte dann in Blaricum in Holland und betätigte sich im pädagogischen Bereich am Konservatorium von Arnheim; hier war die bekannte Sopranistin Charlotte Margiono eine ihrer Schülerinnen. Nachdem sie einen französischen Musikologen geheiratet hatte, verlegte sie ihren Wohnsitz nach Limoges. – Schallplatten: Philips (Liedaufnahmen und Ausschnitte aus Oratorien).

[Lexikon: Heynis, Aafje. Großes Sängerlexikon, S. 10806/ (vgl. Sängerlex. Bd. 6, S. 374) (c) Verlag K.G. Saur], Aafje. Großes Sängerlexikon, S. 10805 (vgl. Sängerlex. Bd. 2, S. 1586; Sängerlex. Bd. 6, S. 374) (c) Verlag K.G. Saur] Foto oben Aafje Heynis/ twitter/ NPO Radio 4 @NPORadio4

Eine Stimme für drei

 

Vierfach ziert das Portrait von Sabine Devielhe das Cover ihrer CD mit dem Titel Mozart-The Weber Sisters, einmal ist es die Interpretin „privat“, dahinter im Schatten ist diese als Josepha, als Aloysia und als Constanze Weber zu sehen. Es fehlt die vierte Schwester, Sophie, denn diese sang wohl nicht, hat aber doch eine Beziehung zu Mozart gehabt: Sie hielt die Hand des Sterbenden, wie das Booklet zu berichten weiß. Josepha war eine gefeierte Primadonna, die erste Königin der Nacht, Aloysia, ebenfalls eine bedeutende Sängerin, Mozarts große, unerwiderte Liebe und Constanze seine Ehefrau, die, weniger brillant als Künstlerin, doch auch bisweilen auftrat und für die Mozart einige seiner Stücke schrieb.

Nach eigenem Bekunden kommt der Sopran Devielhes dem der Aloysia am nächsten, wohl auch deshalb gibt es in dem ihr gewidmeten Block von Tracks kein instrumentales, sondern ausschließlich vier Gesangsstücke. Das erste ist „Non so d’onde viene“, in dem die Stimme gut anspricht, auch im Piano, und in dem das Wissen um die Bedeutung der Rezitative bei Mozart hörbar wird. Der Sopran hat einen keusch-spröden Klang, huscht manchmal über die Konsonanten hinweg und weiß mit feinen Trillern zu punkten. Für „Vorrei spiegarti“ wird die Stimme weicher, windet sie zarte Tongirlanden. Einen dramatischeren Ton nimmt sie für „Popoli di Tessaglia“ an, wird sie zupackender und erscheint wie von Tragik umflort. Die reichen Verzierungen werden in den Dienst der Expression gestellt. Konventionell wie der Anlass, zu dem es wohl komponiert wurde, klingt „Nehmt meinen Dank“.

Als Hommage an Josepha singt die Sopranistin „Der Hölle Rache“, deren Koloraturen man zwar manchmal nachdrücklicher, kaum aber leichtgängiger zu hören bekommt. Dass sich die Sängerin auf die Dramatischste der Schwestern einzustellen versucht, bemerkt man an dem stärker zupackenden Ansatz bereits bei „Schon lacht der holde Frühling“.

Für die noch Gesang studierende Constanze war das Solfeggio gedacht, außerdem sang sie das auf sie zugeschnittene „Et Incarnatus est“ aus der Messe KV 427. Ihm wird die Sängerin mit sanfter Schönheit und inniger Schlichtheit gerecht.

Als eine Art Prolog sind den den drei Schwestern zugeordneten Nummern einige französische Stücke vorangestellt, von dem Pariser Aufenthalt Mozarts stammend. Nicht nur in der Begleitung der Sängerin, sondern auch in mehreren Instrumentalnummern können das Orchester Pygmalion und sein Dirigent Raphaël Pichon auf angenehme Art auf sich aufmerksam machen (Erato 0825646016259). Ingrid Wanja 

 

„Die Räuberbraut“von Ferdinand Ries

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Eine der spannendsten Perioden der deutschen Musik- und vor allem Opernentwicklung ist die Übergangszeit von der Vor-Klassik zur Romantik, also von J. Chr. Bach/ Mozart zum frühen Wagner, stilistisch ebenso wie politisch – und Oper ist ja immer auch ein Spiegel der sozial-politischen Entwicklungen. Beethoven gilt als der Titan unter den Komponisten der Zeit, aber zwischen seiner Leonore/Fidelio und Wagners Holländer ist eben ein breites und lohnendes Spektrum an Opernkompositionen zu finden, das nicht nur die etwas bekannteren wie Werke von Weber, Marschner oder Spohr aufweist, sondern eben auch vergessene wie die von Ferdinand Ries, der zwar als Komponist von Instrumentalwerken spärlich im Bewusstsein geblieben ist, der aber auch – und nicht zu Unrecht – zur deutschen Opernlandschaft dieser Epoche beigetragen hat. Während jedoch Titel wie La Muette de Portici oder Médée heute durchaus öfter gespielt werden, ist eine Oper wie Die Räuberbraut eine Unbekannte geblieben. Umso dankenswerter sind die Bemühungen der Rundfunkanstalten (in diesem Falle der WDR) und der CD-Firmen (außerordentlich lobenswert wie meist: cpo), diese weißen Flecken auf der Opernlandkarte zu beleben. Im Folgenden also ein Artikel über Die Räuberbraut von Ferdinand Ries, den uns die Autorin Kerstin Schüssler-Bach liebenswürdiger Weise zur Verfügung stellte. G. H.

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Der Komponist Ferdinand Ries/ Wiki

Der Komponist Ferdinand Ries/ Wiki

Zwei edle Rivalen, ein fieser Verschwörer, eine heldenhafte Frau: Mit der Räuberbraut landete Ferdinand Ries, damals eine europäische Berühmtheit, 1828 einen Überraschungserfolg. Der Opernerstling des gebürtigen Bonners wurde in vielen deutschen Städten, sogar in Paris, Amsterdam und London, gespielt. Die Nachwelt behielt Ries vor allem als Schüler und Biograph Beethovens in Erinnerung. Doch Die Räuberbraut zeigt, dass er durchaus effektvoll für die Bühne zu schreiben wusste.

Selbst in den ausführlichsten Opern-Speziallexika findet sich heute kaum mehr eine Spur der Räuberbraut von Ferdinand Ries. Unsterblichkeit sicherte sich der Komponist aus Bonn vor allem durch seine Freundschaft mit Beethoven, den er 1801 in Wien auf Empfehlung seines Vaters kennenlernte – Ries Senior war einst der Bonner Violinlehrer Beethovens gewesen. Der junge Ries wurde Freund und Famulus des Genies und überlieferte in seinen posthum veröffentlichten „Biographischen Notizen über Ludwig van Beethoven“ ein lebendiges Porträt des Titanen. Jenseits dieser prägenden Erfahrung verfolgte Ries durchaus eine eigene glänzende Karriere. Als Klaviervirtuose gab er Tourneen in Skandinavien und Russland, in London machte er Fortune als Dirigent, Geschäftsmann und Bewerber um die Hand einer reichen Engländerin. 1824 zog er zurück nach Godesberg, von wo aus er sich auf den Niederrheinischen Musikfesten nachdrücklich für Beethovens Musik einsetzte und zu einem der populärsten Musiker des Rheinlands avancierte. Drei Jahre später siedelte Ries nach Frankfurt um und gab weiterhin Konzerte in Italien, Frankreich und England. Sein unerwarteter Tod mit nur 53 Jahren riss ihn aus einem ausgefüllten Leben und Schaffen als Pianist, Pädagoge und Komponist von Sinfonien, Opern und Klavierwerken.

"Die Räuberbraut": zeitgenössische Illustration zu Schillers "Räubern"/ Schiller-Archiv

„Die Räuberbraut“: zeitgenössische Illustration zu Schillers „Räubern“/ Schiller-Archiv

Mit der Räuberbraut, uraufgeführt 1828 in Frankfurt am Main, gab Ries seine Visitenkarte als Opernkomponist ab. Bereits zwei Jahre zuvor hatte er dem Bruder Joseph annonciert, dass „mein Opera Text schon in Arbeit sei“: Verfasser war der Koblenzer Dichter Johann Joseph Reiff. Das Libretto ist allerdings nicht der erhoffte Wurf: Ries findet zwar „mehrere Sachen darin sehr schön“, beharrt aber darauf, dass „bedeutend am ganzen gewiß geändert werden muß“. Dennoch kann er dem Freund Franz Wegeler im März 1827 die Fertigstellung einiger Nummern ankündigen: „meine Frau, die allein allen Operen die Mozartsche und Beethovische vorzieht behauptet sie sey ganz entzückt davon.“ Mitten in die Arbeit an der Räuberbraut fällt die Nachricht von Beethovens Tod: „ich kann dir nicht sage, wie leid es mir thut“, schreibt Ries seinem Bruder: „ich hätte ihn so gern einmal wiedergesehen“.

Diskussionen um die Librettogestalt reißen nicht ab: Ries vermisst Kürze, Abwechslung und den „guten Theater Effekt“. Er bittet Freund Wegeler um dramaturgische Mithilfe: „das Ding muß am Ende krachen: und ich hoffe, es wird es auch, damit Sie, Freund Reiff und der arme Kompositeur belohnt werden.“ Auch andere Kollegen bittet Ries um kritische Durchsicht seines Opernerstlings: „Ich hoffe, das Sprichwort wird sich nicht an mir bewährt finden: Der Esel will aufs Eis gehen.“ Bei Testläufen im Freundeskreis stößt die Musik der Räuberbraut auf Begeisterung. Da aber die Kritik am Libretto anhält, holt Ries im September 1827 den Frankfurter Musiker und Schriftsteller Georg Döring ins Boot. Der rät kurzerhand zu einer so grundlegenden Umarbeitung, dass Ries fürchtet, seinen ursprünglichen Librettisten Reiff zu brüskieren. Die ganze Oper scheint zum Scheitern verurteilt, aber Ries will nicht aufgeben: „Allein außer Spohr haben wir jetzt keinen deutschen Opern Compositeur von Bedeutung, es könnte also eine sehr bedeutende Sache für meine Zukunft sein.“ Döring schlägt vor, das neue Libretto ganz ohne Namen zu veröffentlichen. So geschieht es – Reiff allerdings, zutiefst beleidigt, gibt seinen originalen Text später separat heraus. Die zum großen Teil bereits fertige Musik musste Ries nun dem völlig umgearbeiteten Libretto von Döring nachträglich anpassen. Angesichts der immer noch reichlich vorhandenen Schwächen und mangelnden Motivierungen mag man sich den Urzustand kaum ausmalen.

"Die Rüberbraut": Wilhelmine Schröder-Devrient, die berühmte "Fidelio"-Leonore ihrer Zeit, sang die Laura in Berlin/ bno.no

„Die Räuberbraut“: Wilhelmine Schröder-Devrient, Wagnersängerin und berühmte „Fidelio“-Leonore ihrer Zeit, sang die Laura in Berlin/ bno.no

Ries wagt nun auch, das Libretto Dörings zur Reklame zu verschicken und berichtet stolz, wie selbst der hochberühmte Louis Spohr und andere Kollegen „sich viel davon versprechen wollen.“ Terzett und Räuberchor machen im Dezember 1828 bei einer konzertanten Aufführung bereits Furore, während Ries noch am Finale komponiert. Die avisierte Uraufführung für Frühjahr 1829 fällt allerdings aus – Streitigkeiten um die Besetzung und Bezahlung der weiblichen Hauptrolle führen zum Abbruch der Proben: „Es ist mir ein fürchterlicher Strich durch die Rechnung“, stellt Ries entnervt fest. Doch die mehrfach verschobene Uraufführung wird endlich am 15. Oktober 1829 vom Frankfurter Publikum „mit ungeheurem Beyfall“ angenommen, meldet Ries seinem Bruder: „Das Haus war zum Ersticken voll. Meine Frau hat fast den ganzen Abend geweint, und mein Haus ist seit der Zeit noch nicht leer von Freunden geworden“.

Auch bei Premiere sucht Ries den „Effekt“, streicht Nummern, die in den Proben zu „fatiguant“ wirken und opfert ganze Chöre und Szenen. Besondere Aufmerksamkeit schenkt er dem „schönen Charakter“ des Räuberhauptmanns Roberto, der „alle Mädchen Herzen gewonnen“ habe. Geschäftstüchtig sorgt Ries auch für eine Verbreitung der Melodien – „alles brummt sie hier schon nach“ – durch Bearbeitungen. Doch der Triumph der Räuberbraut droht eine Eintagsfliege zu werden: Krankheiten und Intrigen verhindern weitere Aufführungen in Frankfurt. Ries verhandelt sofort mit anderen Theatern und muss ein halbes Jahr warten, bis das Werk im März 1829 zum zweiten Mal in Frankfurt gegeben wird. Die nächste Aufführung findet im Juli in London statt, wo Ries’ Name immer noch einen guten Klang besitzt. Und auch in zahlreichen anderen deutschen Städten von Aachen bis Leipzig geht die Räuberbraut über die Bühne – überall höchst erfolgreich.

"Die Räuberbraut": zeitgenössische Illustration zu Schillers "Räubern"/ Schiller-Archiv

„Die Räuberbraut“: zeitgenössische Illustration zu Schillers „Räubern“/ Schiller-Archiv s. o.

Im Februar 1830 dirigiert Ries das Werk in Köln: „schon beim Heraustreten wurde ich vom ganzen Publicum, Orchestre mit Tusch rauschend empfangen“, schreibt er seinem Bruder. „Für diese Mittel“, meinte er mit einem Seitenhieb auf die bescheidenen Kölner Verhältnisse, sei es „eine außerordentliche Aufführung“ gewesen. Als Ries seine Novität 1831 in Berlin vor dem preußischen König vorstellt, schöpft er aus anderen Ressourcen: die große Gesangstragödin Wilhelmine Schröder-Devrient, gefeierte „Fidelio“-Leonore und spätere Uraufführungssängerin in drei Wagner-Opern, gestaltet die Laura, fast 100 Mann Chor und ein Ballett stehen ihm zur Verfügung.

In der Uraufführungs-Rezension der „Allgemeinen Musikalischen Zeitung“ hallt die Begeisterung der Zeitgenossen über das „herrliche Tonwerk“ und den Triumph der „vaterländischen Muse“ wider: Der ungenannte Rezensent preist schon die Ouvertüre als „neue und originelle Schöpfung“, lobt dann sowohl den „poetischen“ Chor der Landleute wie die „wilde Kraft“ des Räuberchors und die „melodische Anmuth“ von Fernandos Kantilene. Sowohl die kleineren Genrestückchen wie Gianettinas Kavatine im spanischen Bolero-Gewand oder die „charakteristische Kraft“ des Räuberlieds im 3. Akt als auch die großen Solonummern finden Beifall des Kritikers: Die große Arie der Laura im 1. Akt, in der sie hin- und hergerissen um Entscheidung ringt, setzt er „kühn den gefeyertsten Tonproductionen dieser Art an die Seite“. Schließlich preist er die „romantisch-schauerliche“ Wirkung der Räuberhauptmann-Arie und die „unerschöpfliche Jubelkraft“ des Finales, in dem alles „auf Kraftentwicklung berechnet“ sei.

"Die Räuberbraut": Gefangennahme des Räubers Franz Lechtweis 1792 in der gleichnamigen Höhle bei Wiesbaden/ lechtweis.de

„Die Räuberbraut“: Gefangennahme des Räubers Anton Lechtweis 1792 in der gleichnamigen Höhle bei Wiesbaden/ lechtweis.de

Tatsächlich bietet Die Räuberbraut einen guten Querschnitt durch die damals aktuelle Opernliteratur: Eine Prise Freischütz mit schwarzer Romantik und volkstümlichen Männer- und Bauernchören, eine Dosis Rossini’schen Ziergersang in den Romanzen des verliebten Offiziers Fernando, Mantel-und-Degen-Ambiente für den Räuberchef Roberto, ein Widerschein der heroischen Fidelio-Leonore in der aufopfernden und mit hohen C’s gekrönten Gestalt der Laura. Dazu ein fernes historisches Italien als Schauplatz, wie es zeitgleich Spohrs Pietro von Abano oder Aubers Stumme von Portici boten, nebst politischen Anspielungen auf die Befreiung des Landes von der Knute des Tyrannen. Keine 15 Jahre nach den napoleonischen Befreiungskriegen fand auch diese Botschaft aufmerksame Hörer. Ries sah sich als Komponist im Dienste der deutschen Opernentwicklung – dies freilich auch in Opposition zum allmächtigen Berliner Generalmusikdirektor Gaspare Spontini, auf dessen Nachfolge er sich vergeblich Hoffnung machte.

"Die Räuberbraut": Prototyp des verwegenen Räubers war Rinaldo Rinaldini, hier auf einer Darstellung des Neuruppiner Bilderbogens/Wiki

„Die Räuberbraut“: Prototyp des verwegenen Räubers war Rinaldo Rinaldini, hier auf einer Darstellung des Neuruppiner Bilderbogens/Wiki

Trotz aller Abstrusitäten der Handlung, die oft über bloße Standardsituationen und Versatzstücke nicht herauskommt, weiß Ries doch immer wieder zu überraschen: Ein wahrer Theatercoup ist die Erschießung des Intriganten Pietro durch Roberto oder der „Töt erst sein Weib!“-Furor der leonorenhaften Laura, die ins Duell der Rivalen eingreift. Zumindest die Hauptfiguren sind in allem Strettageschmetter abwechslungsreich gezeichnet: Der heroischen Laura fehlt es auch nicht an melancholisch-sentimentalen Zügen bis hin zur unverzichtbaren Gebetsszene, und ihr sonst so koloraturreicher Liebhaber Fernando punktet mit der zündenden Bravournummer einer Polonaise.

In Weimar erlebte auch Goethe 1830 eine Aufführung der Räuberbraut. Des Geheimrats spöttisches Urteil über die Erfolgsoper überlieferte Mendelssohn: „die enthielte Alles, was ein Künstler jetzt brauche, um glücklich zu leben: einen Räuber und eine Braut.“ Freilich barg sie auch durchaus breitenwirksame Musik. Man kann einige Passagen des Stücks sogar als Scharnier zwischen Beethoven und dem frühen Wagner ansehen. Ries’ Lehrer hätte wohl die Pastorale des 1. Aktes, manchen Brio-Furor und den finalen Freudenchor als seinen Einflussbereich reklamiert. Und bei einigen Ornamenten oder Gebetsszenen lässt sich gut nachvollziehen, aus welchen heute fast vergessenen frühromantischen Quellen Wagner schöpfte.

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"Die Räuberbraut" als volkstümliche Moritat/ leierkaschtama.de

„Die Räuberbraut“ als volkstümliche Moritat/ leierkaschtama.de

Die Handlung/ 1. Akt: An seinem Geburtstag verrät der Graf von Viterbo, dass er als Opfer einer politischen Intrige fliehen muss. Ausgerechnet sein Ziehsohn Pietro verriet ihn bei dem Usurpator, der das Land besetzt hält. Der Graf vertraut seine Tochter Laura dem Schutz des Castellans Anselmo und dessen Tochter Gianettina an./ Pietro will sich das Kopfgeld für den Grafen selbst sichern und hofft auf die Unterstützung Robertos. Der unerschrockene Räuberhauptmann hat noch eine alte Rechnung mit dem Grafen offen: Als unstandesgemäßer Bewerber um Lauras Hand wurde er einst zurückgewiesen und verbannt. Aber der Räuberchef jagt den Intriganten fort. / Roberto trifft auf Laura: auch sie ist jetzt vogelfrei und damit seinesgleichen. Er bietet an, ihren Vater zu retten – wenn sie ihn heiratet. Nach tiefster Gewissensqual entscheidet sich Laura schließlich für Robertos Plan. / Soldaten unter Führung der Offiziere Fernando und Carlo wollen den Grafen verhaften. Roberto bringt den Grafen in letzter Sekunde aus dem Schloss. Fernando findet in einem Bild Lauras Ähnlichkeit mit der schönen Unbekannten, die er vor einem Jahr in Palermo aus Lebensgefahr rettete. Als Laura kommt, erkennt er sie sofort. Bevor Pietro ihr Geheimnis verraten kann, wird er von Roberto erschossen.

2. Akt: Laura sinnt über ihr verlorenes Glück nach. Durch Giannetta erfährt sie, dass der Vater noch im Schlossgewölbe ist und nun mit ihr gemeinsam fliehen will. / Fernando versucht, Lauras Identität zu lüften, doch sie will den Vater nicht verraten und verleugnet die Bekanntschaft in Palermo. / Carlo hat herausbekommen, dass Laura eine Räuberbraut sei, was Fernando in Liebeszweifel stürzt. / Roberto und seine Räuberbande wollen Fernando töten. Aber Laura bittet um sein Leben und schwört erst jetzt, im Gegenzug Robertos Braut zu werden. / Roberto führt den gefangenen Fernando in das Gewölbe, wo er Abschied von Laura nimmt.

3. Akt: Die Räuber feiern ihr freies Leben. Roberto führt den Grafen zu einer Barke und befiehlt, dass er schon übersetzt; Laura werde nachkommen. Laura ahnt, dass sie ihren Vater nicht wiedersieht. Fernando ist Laura gefolgt, aber sie gesteht ihm, dass sie als Räuberbraut für Roberto bestimmt sei. Die Rivalen duellieren sich, Laura wirft sich dazwischen. Im Handgemenge zwischen Soldaten und Räubern wird Roberto verwundet. Im Sterben gibt er seine Räuberbraut frei für Fernando. Die Soldaten haben den Grafen gefangengenommen, doch auch sein Schicksal wendet sich zum Guten: Carlo verkündet, dass der Usurpator das Land verlassen musste und die Haftbefehle für dessen politische Gegner aufgehoben sind. Alle feiern die Freiheit, der Graf segnet das Paar Laura und Fernando. Kerstin Schüssler-Bach

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"Die Räuberbraut": Erroll Flynn wurde in moderner Zeit zum Ingegriff des Edlen Räubers (wie hier als Robin Hood) und des edelmütigen Freibeuters/ Wiki

„Die Räuberbraut“: Erroll Flynn wurde in moderner Zeit zum Ingegriff des Edlen Räubers (wie hier als Robin Hood im gleinnamigen MGM-Film) und des edelmütigen Freibeuters/ silverscreenblogspot

Den vorstehenden Artikel übernahmen wir mit freundlicher Genehmigung von Kerstin Schüssler-Bach dem Programmheft der konzertanten Aufführung beim WDR 2011, wie er auch im Booklet zur Übernahme der Aufführung bei cpo (777 655-2) erschien. Eine Besprechung der CD findet sich mit weiteren Vokalwerken Werken von Ferdinand Ries findet sich nachstehend, auch Die Räuberbraut. Foto oben: Philipp Otto Runge: „Wir drei“/ 1931 verbrannt/ Wikipedia

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Und nun von Ferdinand Ries: Die Räuberbraut sowie zwei Oratorien: Von den drei Opern, die der Beethoven-Schüler und -Freund Ferdinand Ries komponiert hat, ist – soweit ersichtlich –nur sein zumindest in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert sehr erfolgreicher Erstling Die Räuberbraut (1828) auf CD erschienen. Von „Liska oder die Hexe von Gyllensteen“ existiert nur eine Aufnahme der Ouvertüre, von der „Nacht von Libanon“ findet man keine Einspielung. Das Libretto der „Räuberbraut“ weist wie so manche romantische Opern Abstrusitäten auf, wird aber durch die überaus effektvolle Komposition sozusagen geadelt. Hier gibt es volkstümliche Männer- und Bauernchöre, die an den nur wenige Jahre vor der „Räuberbraut“ uraufgeführten „Freischütz“ erinnern, mit Laura eine heroische Frauenfigur à la Leonore sowie belcantistische Gesangslinien in Ensembles und in Fernandos Romanzen, der die geliebte Laura zum Happyend erringt. All dies kann man in der gut gelungenen Aufnahme des WDR Sinfonieorchesters Köln unter Howard Griffiths nachhören, die bei cpo (777 655-2, 2 CD) erschienen ist und nur die musikalischen Nummern enthält. Angehängt ist eine Ballettmusik, bestehend aus sechs kurzen Tänzen, die wohl zur Oper gehört. Aus dem sonst sehr instruktiven Beiheft ergibt sich nicht, ob das Ballett oder Teile davon überhaupt – und wenn ja, an welcher Stelle im Ablauf – getanzt wurde. Auch fehlt jeglicher Hinweis auf die Dialoge.

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ries säuberbraut cpoMit sicherem Gespür für die jeweils vorherrschende Stimmung, sei es die Schlichtheit der Romanzen, seien es die hochdramatischen Aufschwünge, führt der englische Dirigent das ausgezeichnete Orchester, die Gesangssolisten und den vorzüglichen WDR Rundfunkchor Köln (Einstudierung: David Marlow) durch die frühromantische, vielschichtige Partitur. An der Spitze des insgesamt ausgeglichen gut besetzten Ensembles steht als Laura Ruth Ziesak, die sich ihren jugendlich-frischen Sopran erhalten hat und zudem durch höhensichere, dramatische Effekte beeindruckt. Mit hellem, charakteristisch gefärbtem Tenor gefällt Thomas Blondelle, der als Fernando die nicht wenigen Koloraturen und Verzierungen gekonnt präsentiert. Fernandos Gegenspieler, der Räuberhauptmann Roberto, ist bei dem dunkel getönten Bass von Yorck Felix Speer gut aufgehoben. Mit noblem, ebenmäßig geführtem Bariton singt Jochen Kupfer Lauras Vater, den gefangenen Grafen, der zum Ende natürlich frei kommt und dem jungen Paar seinen väterlichen Segen gibt. Die Nebenpartien werden von Julia Borchert (Gianettina), Christian Immler (Anselmo), Konstantin Wolff (Carlo) und Dirk Schmitz (Pietro) ohne Fehl gesungen.

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Ebenfalls bei cpo sind Einspielungen der beiden 1829 und 1837 uraufgeführten Oratorien von Ferdinand Ries herausgekommen, Der Sieg des Glaubens (cpo 777 738-2, 2 CD) und Die Könige in Israel (cpo 777 221-2). Diese geistlichen Werke haben musikalisch durchgehend opernhaften Charakter, was für die Dramatik der Handlungen durchaus passend ist. Beide Einspielungen sind 2009 und 2005 im Zusammenhang mit Aufführungen der „Festlichen Tage Alter Musik Knechtsteden“ entstanden. Der Chor hat jeweils viele wichtige Aufgaben, die die „Rheinische Kantorei“ unter „ihrem“ Gründer Hermann Max mit schöner Ausgewogenheit und teilweise mächtiger Klangpracht erfüllt. „Das Kleine Konzert“ bildet jeweils die stets sichere instrumentale Grundlage.

Ries Könige in Israel cpoIm Oratorium Der Sieg des Glaubens wird auf eine Handlung konkreter Figuren verzichtet; vielmehr geht es um einen Diskurs über christliche Inhalte, die Kraft des Glaubens und die Gnade Gottes, ohne dass dabei auf dramatische Entwicklungen verzichtet wird. Im Libretto gibt es zwei Gruppen, die große der Gläubigen, die die kleinere Gruppe der Ungläubigen zur Umkehr bewegen will. Dies gelingt erst mit dem in einem Sopran-Rezitativ beschriebenen Erscheinen eines „Seraphen der Liebe“ und eines „Engels des Glaubens“, die zu Harfenklängen vom Himmel herabschweben. Das Solistenquartett ist von ausgesucht hohem Niveau: Christiane Libors volltimbrierte Stimme passt sehr gut zur dramatisch herausfordernde Sopran-Partie, die sie ausdrucksstark gestaltet. Prägnant deklamierend und die musikalischen Bögen mit seinem lyrischen Tenor nachzeichnend stellt Markus Schäfer klar, dass er musikalisch sorgfältig zu differenzieren weiß. Wiebke Lehmkuhl fügt sich mit ihrem runden Alt ebenso wie Markus Flaig mit charaktervollem Bassbariton gut in die Ensembles ein; beide sind so für gelungene Ausdeutung des ungewöhnlichen Oratoriums mitverantwortlich.

ries sieg des glaubens cpoDas Oratorium Die Könige in Israel behandelt die Auseinandersetzungen zwischen dem machtbesessenen Saul und seinem Nachfolger David. Anders als in Händels Saul steht David im Mittelpunkt, den Markus Schäfer klarstimmig mit tenoralem Glanz versieht. Dagegen geht Harry von der Kamp als Saul mit seinem anfangs allzu braven, nicht immer intonationsreinen Bass erst in der Beschwörung Samuels so richtig aus sich heraus, wenn er auch zu stark forciert. Hier erzeugt der dunkle Alt von Ewa Wolak als Hexe von Endor dämonische Schauer, wozu auch Marek Rzepka mit schwarzem Bass beiträgt. Als Sauls Kinder Michol und Jonathan gefallen Nele Gramß mit schön aufblühendem Sopran und der abgerundete Mezzo von Gerhild Romberger; sicher ergänzt Kai Florian Bischoff als Abner. Gerhard Eckels

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Eine vollständige Auflistung der bisherigen Beiträge findet sich auf dieser Serie hier.

Dan Ettinger

 

Er ist regelmäßig zu Gast in München, Wien und Salzburg, in London, Paris und New York. Bis zum Saisonende ist er noch Generalmusikdirektor am Nationaltheater in Mannheim und seit Beginn der neuen Saison Chefdirigent der Stuttgarter Philharmoniker. Mit dem Israeli Dan Ettinger (44) sprach Hanns-Horst Bauer über Stars und Stress, Verantwortung und Vertrauen.

 

Dan Ettinger © Stuttgarter Philharmoniker-Niedermüller

Dan Ettinger © Stuttgarter Philharmoniker-Niedermüller

Ende September vergangenen Jahres haben Sie an der Bayerischen Staatsoper eine Repertoire-Aufführung von Verdis Aida mit sensationeller Topbesetzung dirigiert: Krassimira Stoyanova als Aida und Publikumsliebling Jonas Kaufmann als Radames, beides auch noch szenische Rollendebüts. Wie gehen Sie mit weltweit gefeierten Stars um? Hat man da nicht doch vielleicht etwas Lampenfieber? Mit Jonas Kaufmann habe ich in München  schon vor vier Jahren zusammengearbeitet, damals war er Don José in „Carmen“. Für mich also kein Problem! Ich kenne seine Arbeit, seine Art des Singens. Bevor ich mit einem Künstler arbeite, muss ich allerdings schon wissen, was er braucht. Das kann ich bei den Klavierproben vorab herausbekommen, von denen es allerdings vor Repertoire-Aufführungen leider immer weniger gibt. Deshalb ist es für mich sehr wichtig, auch bei den szenischen Proben mit Klavier dabeizusein, um die Sänger besser kennzulernen, um, ganz wichtig,  zu sehen und zu spüren, wie sie atmen. Dann kann ich  zum Beispiel entscheiden,  was für ein Tempo ich vorgeben muss. Da ich vor meiner Laufbahn als Dirigent selbst zehn Jahre lang auf der Bühne gesungen habe, weiß ich sehr wohl, um was es geht, worauf es ankommt. Natürlich können Sänger und Dirigent da unterschiedliche Vorstellungen haben.

 Wie bereiten Sie sich auf eine Aufführung mit Topstars vor? Eine Aufführung mit einem Topstar ist natürlich immer eine Herausforderung, die aber die musikalische Arbeit beflügelt. Allerdings versuche ich, mir gar nicht zu viele Gedanken zu machen, das würde nur Stress bedeuten. Auch wenn das wie ein Klischee klingt, für mich ist jede Vorstellung wichtig, egal, wer da in einer Aufführung singt.

Dan Ettinger: "Der Ring des Nibelungen" in der Mannheimer Inszenierung/ Szene/ Arthaus

Dan Ettinger: „Der Ring des Nibelungen“ in der Mannheimer Inszenierung/ Szene/ Arthaus

Kritiker sind an einem solchen Abend vielleicht besonders kritisch. Denken Sie daran, zumindest im Hinterkopf? Natürlich kann man nie wissen, wer in einer Vorstellung sitzt. Auch in Aufführungen nach einer Premiere kann man keinen Knopf aufmachen und locker entspannt sein. Zudem kann heute jeder im Internet ein Kritiker sein und in seinem Blog schreiben, wie und warum ihm eine Aufführung gefallen hat oder nicht. Für mich ist jede Vorstellung die wichtigste, egal wer im Parkett sitzt. Allerdings muss ich schon zugeben, dass der Stress-Level in unserem Beruf schon ziemlich hoch ist.

 Trotzdem lieben Sie ihn? Was ist denn das Schöne, das Besondere, das Aufregende am Dirigent-Sein? Ein Ergebnis live zu hören, das man jahrelang nur in seinem Kopf gehört hat. 80, 120, 200 Musiker zu überzeugen und zu inspirieren, ein Werk zu 90 oder gar 100 Prozent so zu spielen, wie ich mir das vorstelle, das zu erleben, ist wirklich ein unvergleichliches Erlebnis.

 

Probe Stuttgarter Philharmoniker mit Dirigent Dan Ettinger  Foto: Thomas Niedermueller/ niedermueller.de

Probe Stuttgarter Philharmoniker mit Dirigent Dan Ettinger/ Foto: Thomas Niedermueller/ niedermueller.de

Kommt da beim Dirigieren nicht auch ein bisschen ein Gefühl der „Macht“ ins Spiel?  Mich fasziniert die Verantwortung, durchaus auch eine Art von Macht, die ich für die Musiker und natürlich auch für die Sänger auf der Bühne habe. Die Verantwortung für ein Werk teilen Sie in der Oper mit dem Regisseur, der für die meisten Kritiker wichtiger ist als das Musik-Team? Wie empfinden Sie diese Verschiebung?  Das bedauere ich sehr, denn manchmal vergessen die Regisseure ja, dass schon jemand vor ihnen das Libretto ganz grundsätzlich interpretiert hat, und das ist der Komponist! Wenn ein Regisseur das vergisst und versucht, einen Text eigenständig zu deuten, ohne zu respektieren, was der Komponist in der Musik bereits interpretiert hat, das stört mich. Das tut richtig weh.

 

Sie dirigieren an großen Häusern in aller Welt und sind dabei mit vielen unterschiedlichen Inszenierungen konfrontiert worden. Welche Regisseure haben Sie wirklich überzeugt? Einer der Höhepunkte war für mich ganz sicher der Zyklus von Wagners „Ring“ in Mannheim, bildgewaltig inszeniert von Achim Freyer. Ihn zu erleben, war für mich eine äußerst wichtige Lebenserfahrung. Er hat alle 200-prozentig überzeugt, auch wenn seine Arbeit uns anfangs etwas fremd war.

Dan Ettinger 07 Ring-001Im Repertoire-Betrieb werden Sie nicht nur mit den unterschiedlichsten Regie-Arbeiten konfrontiert, sondern sicher auch immer wieder mit Überraschungen? Ganz sicher. An der Met in New York musste ich im vergangenen Jahr  La Bohème in Franco Zeffirellis legendärer Inszenierung, die ich zu diesem Zeitpunkt noch nie gesehen hatte, ohne jegliche Probe  vorab dirigieren. Wie packt man so etwas?  Mit viel Vertrauen auf die eigenen Möglichkeiten. Ich muss da meiner eigenen Erfahrung vertrauen, aber auch auf Risiko arbeiten, es geht einfach nicht anders. Ich bin Fatalist. Wenn´s funktioniert, super, wenn nicht, dann lerne ich daraus. Ich habe so viel Repertoire mit mittlerweile über 40 Opern im Gepäck gemacht, um mich an den Häusern zu positionieren, von denen ich immer geträumt habe, wobei ich damals als junger Musiker in Israel eigentlich davon ausgegangen bin, dass das ohnehin nie passieren würde. Mittlerweile versuche ich, älter geworden, an festen Stellen mehr meine eigenen Sachen zu machen, hier in Deutschland etwa als Generalmusikdirektor des Nationaltheaters in Mannheim oder jetzt aktuell der Stuttgarter Philharmoniker. Ich brauche neben dem vielen Reisen rund um den Globus einfach ein Zuhause. Mit einem „eigenen“ Orchester eine eigene Sprache zu entwickeln, das macht mich glücklich.

 

Dan Ettinger ©Stuttgarter Philharmoniker-Niedermüller

Dan Ettinger © Stuttgarter Philharmoniker-Niedermüller

Wie kamen Sie denn überhaupt zum Dirigieren? Eher zufällig. Ich habe zunächst an der Israeli Opera in Tel Aviv eine Sängerkarriere als Bariton gemacht, bis man mir eine Stelle als Chordirektor angeboten hat. Zum Glück hatte ich die Chuzpe zu sagen, wenn schon denn schon, dann will ich den Beruf des Dirigenten auch richtig erlernen. So hat es langsam begonnen. Dabei hat mir Daniel Barenboim, der mich als Assistent und Kapellmeister an die Berliner Staatsoper geholt hat, mit auf den Weg gegeben, dass man schon gute zehn Jahre dirigiert haben müsse, um zu verstehen, um was es geht und sagen zu können: Ich bin ein Dirigent. Und nach zehn Jahren habe ich gemerkt, er hatte recht. Barenboim war, ist und wird es auch immer sein: meine größte Inspiration.

 

 

Dan Ettinger fühlt sich seiner Großmutter verpflichtet/ Ettinger

Dan Ettinger fühlt sich seiner Großmutter verpflichtet/ Ettinger

Wer hat Sie in Ihrer Kindheit zur Musik inspiriert? Zu Hause habe ich immer klassische Musik und Jazz gehört und  natürlich Klavier gespielt, später am Musikgymnasium auch noch Kontrabass.  Aber das musikalische Talent habe ich von meiner Großmutter Erna mitbekommen, die Schauspielerin  war und auch Geige gespielt hat. So hat sie mit meinem Vater zusammen damals den Holocaust überlebt. Ihr Talent hat sie und meinen Vater im Lager gerettet. Wie genau, darüber haben wir nie gesprochen.  (Dan Ettinger zeigt auf seinem iPhone ein Foto seiner Großmutter, der er, wie er sagt, wirklich sehr ähnlich sieht.)

 

Richard Wagner, dessen kompletten Ring Sie in Mannheim und Tokyo dirigiert haben, ist in Ihrer Heimat Israel nach wie vor verpönt. Ein Problem für Sie? Der Holocaust ist für uns ein Trauma, das man nicht bekämpfen kann. Ich habe nie versucht, Wagner in Israel zu spielen. Wofür? Für einen Skandal? Trotzdem kritisiere ich dieses Tabu, weil wir dadurch eine Riesenlücke in unserer musikalischen Ausbildung haben. Aber eine Riesenlücke hat damit auch unser Publikum.

 

Sie verlassen Mannheim zum Ende der laufenden Spielzeit. Welche Erfahrungen haben Sie an Ihrer ersten Stelle als Generalmusikdirektor und Chefdirigent gemacht? Ich kann gar nicht beschreiben, wieviel ich in diesen sieben Spielzeiten gelernt habe, und das nicht nur, was die Musik betrifft. Die Dimensionen übersteigen das Einstudieren einer Partitur. Toll und gleichzeitig schwer ist die Kombination zwischen künstlerischer und menschlicher Verantwortung.

 

Dan Ettinger: "Der Ring des Nibelungen" in der Mannheimer Inszenierung/ Szene/ Arthaus

Dan Ettinger: „Der Ring des Nibelungen“ in der Mannheimer Inszenierung/ Szene/ Arthaus

Worin liegt der Reiz, Chefdirigent eines Orchesters zu sein, noch wenige Monate in Mannheim und seit Beginn der neuen Spielzeit für vorerst mal drei Jahre in Stuttgart bei den Philharmonikern? Dass alle meine musikalische Sprache reden, ohne dass ich jedesmal erklären muss, um was es geht. Da bin ich, wie vorher schon gesagt, zu Hause.

Wie vermitteln Sie dem Orchester diese Ihre Sprache? Früher war es mehr körperlich mit Mimik und Gestik, heute kann ich vieles aus der Lebenserfahrung heraus mit Worten erklären. Mein Dirigat im Konzert ist allerdings auch weiterhin sehr körperbezogen, wobei ich meine „Choreographie“ überhaupt nicht vorbereite, wie mir manchmal  vorgeworfen wird. Die kommt einfach aus der Musik heraus.

 

Dan Ettinger©Hanns-Horst Bauer

Dan Ettinger©Hanns-Horst Bauer

Ihre erste Begegnung mit den Stuttgarter Philharmonikern… …war so etwas wie Liebe auf den ersten Blick. Wir haben uns sofort gut verstanden. In den ersten Monaten meiner Arbeit hier fühle ich mich darin bestätigt. Mein Ziel ist es, das Orchester in vertrauensvoller Zusammenarbeit weiter voranzubringen, neu zu profilieren und auch im Rahmen der finanziellen Mittel verstärkt international zu präsentieren.

 

Dan Ettinger 06 Ring 2CD - ars sonandi-001Dirigenten arbeiten meist bis ins hohe Alter. Deshalb sei abschließend die Frage erlaubt, welchen Traum Sie sich in ferner Zukunft noch erfüllen wollen.  Der Traum hat ganz sicher etwas mit Oper zu tun. Aber zunächst will ich nach einem Burnout im vergangenen Jahr etwas kürzer treten und mich spirituell wieder zu mir selbst zurückbringen.

 

 

Vita: Dan Ettinger wurde am 10.Juni 1971 in Cholon (Israel) geboren und wohnt heute in Mannheim. Seine musikalische Ausbildung erhielt er an der Thelma Yellin High School of the Arts in Giv’atayim. 1993 gewann er den ersten Preis als Bariton beim François Shapira Wettbewerb und war von 1995 – 1998 Mitglied der Israeli Opera Tel Aviv, wo er wichtige Rollen des lyrischen Baritonfachs verkörperte. 1999 wurde er Chorleiter und Dirigent an der New Israeli Opera Tel Aviv und war  von 2002-2003 Erster Gastdirigent beim Jerusalem Symphony Orchestra. Von 2003-2009 arbeitete er als Kapellmeister und Assistent von Daniel Barenboim an der Staatsoper Unter den Linden in Berlin. Während dieser Zeit war er auch ein Jahr lang Chefdirigent des Israel Symphony Orchestra, dessen Erster Gastdirigent er heute noch ist. 2009 übernahm er die Stelle des Generalmusikdirektors am Nationaltheater Mannheim.  Von 2010-2015 war er zusätzlich Chefdirigent des Tokyo Philharmonic Orchestra.  Mit Beginn der Saison 2015/16 übernahm er das Amt des Chefdirigenten und Generalmusikdirektors der Stuttgarter Philharmoniker.  Dan Ettinger gastiert regelmäßig an der Bayerischen Staatsoper, der Wiener Staatsoper, Royal Opera Covent Garden London, Opéra National de Paris, Metropolitan Opera New York und bei den  Salzburger Festspielen.

 CD und DVD (Auswahl):  Wagner Der Ring des Nibelungen in der Inszenierung von Achim Freyer (Arthaus 7 DVDs), Wagner Der Symphonische Ring (2CDs),   Diana Damrau Coloraturas (Virgin Classics 1CD), Adrianne Pieconka Puccini (Orfeo 1CD). Foto oben: Dan Ettinger © Hanns-Horst Bauer

Baroque Down Under

 

Wer Opern-Fan ist, dem muss Australien sympathisch sein, immerhin ist es gerade die Oper, das Sydney Opera House, das das bekannteste Gebäude eines ganzen Kontinents und ein architektonisches Wahrzeichen wie bspw. Tower Bridge, Eiffelturm, Freiheitsstatue und Brandenburger Tor geworden ist. Australische Sänger findet man inzwischen auch an vielen bundesdeutschen Opernhäusern, doch wie ist es eigentlich um das Musikleben Down Under bestellt? Die vorliegende CD von Glucks Iphigenie en Tauride des australischen Labels Pinchgut LIVE hat einiges Interessante zu bieten, beginnend mit der Erkenntnis, dass es in Sydney die Pinchgut Opera gibt, die sich auf Barock und Frühklassik konzentriert und in der City Recital Hall auftritt. Seit der Gründung hat man Pionierarbeit für frühe Opern in Australien geleistet und 16 Werke produziert: Händels Semele (2002), Purcells The Fairy Queen (2003), Monteverdis Orfeo (2004), Rameaus Dardanus (2005), Mozarts Idomeneo (2006), Vivaldis Juditha Triumphans (2007), Charpentiers David et Jonathas (2008), Cavallis Ormindo (2009), Haydns L’anima del filosofo (2010), Vivaldis Griselda (2011), Rameaus Castor et Pollux (2012), Cavallis Giasone (2013), Salieris Rauchfangkehrer (2014), Glucks Iphigénie en Tauride (2014), Vivaldis Bajazet (2015) und Grétrys L’amant jaloux (2015). Haydns Armida und Händels Theodora stehen 2016 auf dem Plan der Pinchgut Opera. Ein ambitioniertes Programm, das auch jedem deutschen Opernhaus sehr gut zu Gesicht stehen würde. Seit 2014 wagt man sich an zwei jährliche Produktionen, ein Zeichen für Popularität und geschickte Vermarktung – man hat stets auch Radioübertragungen organisiert und fast alle Opern auch auf CD eingespielt, zuerst bei ABC Classics, seit wenigen Jahren hat man ein eigenes Label Pinchgut LIVE.

Pinchgut Opera  "Iphigenie en Tauride"/  Caitlin Hulcup/  Director Lindy Hume Designer Tony Assness Conductor Antony Walker/  Dress rehearsal photographed at Angel Place, Sydney December 2014/ Pinchgut Opera

Pinchgut Opera „Iphigenie en Tauride“/ Caitlin Hulcup/
Director Lindy Hume/ Designer Tony Assnes/ Conductor Antony Walker// Dress rehearsal photographed at Angel Place, Sydney/ December 2014/ c Pinchgut Opera

Das größte Plus dieser australischen Rarität ist das Originalklang-Orchester: das Orchestra of the Antipodes, das seit 2004 für Pinchgut spielt und auch in Konzerten auftritt bzw. bereits einige CDs einspielt hat, u.a. mit Händels Messiah, Duette und Arien von J.S. Bach sowie dessen Brandenburgische Konzerte oder Mozarts Requiem. Es setzt sich aus Musikern zusammen, die weltweit in bekannten Ensembles gespielt haben, u.a. bei Les Arts Florissants, dem Orchestra of the Age of Enlightenment, der Academy of Ancient Music, Florilegium, The English Concert, Il Giardino Armonico, Les Talens Lyriques und dem Venice Baroque Orchestra. Man bedient sich sowohl historischer Nachbauten als auch Originalinstrumente, das Programmheft enthält eine Liste mit Ursprung und Baujahr aller verwendeter Instrumente. Das Orchestra of the Antipodes und sein Dirigent Antony Walker (der übrigens auch künstlerischer Leiter der Pinchgut Opera und der Washington Concert Opera sowie Musikdirektor der Pittsburgh Opera ist) spielen flexibel auf der Höhe der Originalklang-Zeit, rhythmisch effektvoll, aber nicht so farbenreich und differenziert wie bspw. in der Referenzaufnahme von Marc Minkowski. Die Balance der Aufnahmeakustik ist allerdings auch nicht optimal, man hört nicht plastisch, sondern flächig in den Orchestergraben, die Live-Aufnahme einer Bühnenproduktion aus der City Recital Hall hat hörbar nicht optimale Voraussetzungen. Sängerisch hört man eine ordentliche und gute Leistung, die auch in einem großen europäischen Opernhaus ein Erfolg wäre.

Pinchgut Opera  "Iphigenie en Tauride" / Szene/  Caitlin Hulcup Director Lindy Hume Designer Tony Assness  Dress rehearsal photographed at Angel Place, Sydney December 2014

Pinchgut Opera „Iphigenie en Tauride“ / Szene/ Dress rehearsal photographed at Angel Place, Sydney
December 2014/ c Pinchgut Opera

Die australische Mezzosopranistin Caitlin Hulcup überzeugt mit warmer, voller Stimme als psychisch verwundete Iphigenie, bemerkenswert gut gelingen ihr sowohl die stimmlich zarten und klagenden Farbgebungen als auch die hochdramatischen Ausbrüche, sie zeigt etwas weniger expressive Qualität als bspw. Mireille Delunsch in Minkowskis Einspielung, aber das mag dem Live-Charakter geschuldet sein. Der australische Bariton Grant Doyle singt beeindruckend den gequälten Orest mit verzweifelt-nobler Stimme, die Illusion des „Le calme rentre dans mon coeur“ überzeugt bspw. durch feine Modellierung. Der dunkle Bassbariton von Christopher Richardson in der Rolle des Thoas klingt dramatisch, dem Rollenportrait fehlt dennoch der stimmliche Nachdruck. Der britische Tenor Christopher Saunders singt einen sehr lyrischen Pylade, dem man

gelegentlich mehr Durchsetzungskraft und stimmliche Entschlossenheit wünschen würde. Rollengerecht überzeugt auch Margaret Plummer in der Doppelrolle als 1. Priesterin und Diana. Dirigent Antony Walker ist auch Mitbegründer des Chors Cantillation, der bereits seit 2002 Pinchgut begleitet und sich hier als stimmlich agiler und flexibler Partner erweist. Zusammengefasst eine gute Wiedergabe einer musikalisch spannenden Aufführung. Wer in Australien Urlaub macht und Oper nicht vermissen will, sollte sich vorab nicht nur im Internet über den Spielplan der Sydney Opera informieren, sondern auch die Auftritte der Pinchgut Opera oder des Orchestra of the Antipodes im Blick haben. (2 CDs, ca. 111 Minuten, Pinchgut LIVE, PG006). Marcus Budwitius

Abschied und Neubeginn

 

Gegen den Untertitel ihrer Tänzerbiografie im Verlag Theater der Zeit  Die letzte deutsche Primaballerina hat sich Beatrice Knop lange gewehrt, weil sie noch immer hofft, dass es irgendwann wieder eine deutsche Tänzerin von internationalem Spitzenformat geben wird – auch wenn sie im Moment keine mit dem künstlerischen Potential für diese Position sieht. Sie selbst hat die Berliner Ballettszene 25 Jahre mit zahlreichen Auftritten in klassischen und zeitgenössischen Partien bereichert und sich eine große Verehrergemeinde geschaffen. Ihr Bühnenabschied am 24. Februar als Königin in einer Schwanensee-Aufführung in der Deutschen Oper Berlin war dann auch ein ungemein emotionaler Abend, an dessen Ende der Tänzerin noch einmal der Dank, die Annerkennung und die Liebe des Publikums für ihr künstlerisches Lebenswerk entgegen gebracht wurden. Freilich war es kein totaler Abschied vom Staatsballett, denn nach der aktiven Karriere wird sie ihre Erfahrungen in die künstlerische Produktionsleitung der Compagnie einbringen.

Rechtzeitig zu ihrem Farewell erschien bei Theater der Zeit eine Künstlerbiografie von Jan Stanislaw Witkiewicz, die am Tag der Abschiedsvorstellung im Foyer de la danse in Anwesenheit der Künstlerin und des Autors der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Das Buch ist in Interviewform gehalten und zweisprachig (Deutsch/Englisch) verfasst. Ein Vorwort von Dr. Christiane Theobald würdigt die Verdienste der Ballerina und umreißt kurz ihre Persönlichkeit. Beatrice Knop antwortet auf die Fragen sehr offen und ohne Eitelkeit, verschweigt nicht Probleme, Schwierigkeiten und verpasste Chancen, wie sie im Leben einer jeden Tänzerin auf dem Weg nach oben auftreten. Auch vermeintliche körperliche Unzulänglichkeiten und die heftige Nervosität vor den Auftritten werden freimütig angesprochen.

Beatrice Knop. Die letzte deutsche Primaballerina Theater der zEITVon den Anfängen in einer Kinderballettgruppe in Berlin-Mitte über die achtjährige Ausbildung in der Staatlichen Ballettschule Berlin bis zum Engagement an die Lindenoper wird der Weg gezeichnet, den zahlreiche Fotos (darunter seltene aus den Anfängerjahren) illustrieren. 1991 begann sie als Gruppentänzerin, wurde 1993 Solistin und 1998 nach einer Schwanensee-Aufführung mit ihrem Rollendebüt als Odette/Odile zur Ersten Solistin ernannt. Knop hat in Berlin in mehreren Balletten beide weibliche Hauptrollen getanzt – so in Giselle zuerst die Myrtha und ab 2000 die Titelrolle, in Schwanensee die Königin und später die Doppelrolle des Weißen und Schwarzen Schwans mit ihren ganz speziellen Herausforderungen, in der Bajadere die Hamsatti und Nikia, in Dornröschen die Fée de Lilas und Aurora. Voller Bewunderung spricht sie über die Arbeit mit Maurice Béjart, in dessen Choreografien Verklärte Nacht (1993), Apropos Scheherazade (1996), Le Concours (1997) und vor allem Ring um den Ring (2004) sie mitwirkte. In letzterem Werk tanzte sie sogar drei Rollen – Freia, Fricka, Sieglinde. Eine von Knops Sehnsuchtsfiguren war die Tatjana in Crankos Onegin, die sie erstmals 1995 beim  Ballett des Aalto Theater Essen interpretierte, wo sie von 1995 bis 96 als Solistin engagiert war – die einzige Station außerhalb Berlins in ihrer langen Laufbahn. Nach nur einem Jahr kehrte sie in die Hauptstadt zurück, wo sie 2003 die Gelegenheit bekam, diese zentrale Partie nun ganz in ihr Repertoire aufzunehmen – inzwischen (nach eigener Einschätzung) mit der nötigen Reife und Erfahrung für diesen diffizilen und vielschichtigen Charakter. Im Interview fragt Witkiewicz mehrfach, warum sie sich für das Staatsballett Berlin entschieden hat und keine internationale Karriere einschlagen wollte, was ein wenig insistierend wirkt. Noch befremdlicher ist seine Behauptung, dass Beatrice Knop „in jeder Vorstellung mehr als perfekt“ gewesen sei, was natürlich eine maßlose Übertreibung ist und vor allem von der grenzenlosen Bewunderung des Autors für die Tänzerin zeugt. Sie hat (wie jede andere Startänzerin auch) Vorstellungen abgeliefert, die alles andere als vollkommen waren. Besonders die 32 Fouettés der Odile, die sie selbst als die technisch schwierigste Stelle dieser Rolle bezeichnet, haben sie mehrfach vor Probleme gestellt. Aber ihr Ehrgeiz und der hohe künstlerische Anspruch an sich selbst ließen sie immer wieder noch intensiver trainieren, noch härter arbeiten, um ihre Auftritte zu perfektionieren. Und so war es nur konsequent, als mit Mitte dreißig körperliche Schmerzen einsetzten und sich verstärkten, an das Ende der aktiven Laufbahn zu denken. Das Interview, das von einer ausführlichen Chronik ergänzt wird, erinnert an eine glanzvolle Tänzerkarriere und sei jedem Ballettfreund empfohlen. Bernd Hoppe

(Jan Stanislaw Witkiewicz – Beatrice Knop. Die letzte deutsche Primaballerina. Theater der Zeit/2016. 224 Seiten, zahlreiche Fotos. ISBN 978.3. 95749.0667; das Foto oben ist dem Cover des Buches entnommen.)

 

 

 

 

In gewohnter Manier

 

The Crazy Queen of Baroque nennen sie bewundernd ihre Fans, eher spöttisch diejenigen, die mehr das „crazy“ als die „queen“ betonen. Spätestens seit ihrem Auftritt bei einer Aids-Gala in Berlin mit der Arie der Amalia aus Verdis I Masnadieri polarisiert Simone Kermes das Opernpublikum, nicht wegen ihrer oft bizarren Optik, sondern wegen des unkonventionellen Umgangs halt nicht nur mit Alter Musik“, auch wenn diese das Zentrum ihres Wirkens darstellt. Die jüngste ihrer zahlreichen CDs nennt sich schlicht Love und vereint auf sich Liebeslieder und-arien ausRenaissance und Barock. Monteverdi, Purcell oder Dowland sind darauf vertreten, aber auch vieles weniger Bekanntes. La Kermes sieht in der Zusammenstellung der Stücke den Ablauf einer von einer Frau erlebten Liebesgeschichte, vom ersten, entscheidenden Blick bis zum Liebestod,  obwohl die meisten der Arien für Männer bestimmt waren und auch der Schwerpunkt nicht auf dem Liebesglück, sondern ganz eindeutig auf Enttäuschung und Liebesleid liegt, was sogar zeitweilig zu dem Plan führte, sich auf die Gattung der Mad Scene zu beschränken.  Auch die Wahl von vier Kulturkreisen, aus denen die Stücke stammen, spricht, da sie „unterschiedliche Mentalitäten und Charaktere“ darstellen, gegen eine fortlaufende Handlung.  Und wenn Simone Kermes meint, man könne die Musik ihrer CD mit der moderner Popmusik vergleichen, einfach, aber nicht simpel zu sein, stellt sie letzterer ein erstaunliches Zeugnis aus.

In dem umfangreichen Booklet findet jeder Track eine Erläuterung, der meistens drei Begriffe wie „Sehnsucht-Treue-Stolz“ vorangestellt sind, die nicht immer in den Arien selbst zu finden sind. Historische, biographische oder Informationen über den musikalischen Aufbau der Lieder tragen dazu bei, die Erwartung besonders hoch zu schrauben. Den Abschluss bildet stets ein Zitat, vorwiegend aus Dramen Shakespeares.

Das Cover zeigt die Sängerin im schlichten weißen Empire-Gewand, den Kopf auf  einen Pelz gebettet, auf rosigem Grund und wohl den Geheimnissen der Liebe nachsinnend.  Dem Hörer bieten sich mit Monteverdis Lamento della ninfa  ein Wesen von gekünstelter Naivität, eine nicht gleichmäßig exakt ansprechende Stimme und ein verhuschtes Italienisch, das auch Merulas „Folle è ben“ in seiner Wirkung beeinträchtigt. Auch das Französisch in Boëssets Récit de Mnémosyne könnte eine klarere Artikulation vertragen, in  Frescos ayres  geht der melancholische  Klagelaut zu Herzen. Wird es spanisch, so auch mit Briçeňos „Ay amor loco“, erkennt man, wie gut der Sängerin das Volksliedhafte liegt, wie auch eine gewisse Schärfe des Soprans durchaus als Gewinn betrachtet werden kann, so auch in der drahtigen Höhe von Cestis „Disserratevi, abissi“. In Barbara Strozzis  „Che si può fare“ wird vieles nur angetippt, was ein Ausspinnen, ein Verweilen vertragen könnte, in Lamberts „Sombres déserts“ wird der schwermütige Ton gut getroffen.

Temperamentvoll werden die technischen Schwierigkeiten von Manellis Grida l‘alma  bewältigt, doch insgesamt stören oft Intonationsschwächen, eine verwaschene Diktion und eine gewisse Variationsarmut: es ist immer mehr unverwechselbare Kermes anstelle von unverwechselbarem Komponisten, Figur, zeitgenössischem Stil. Das fällt besonders auf, wenn ein so gewaltiger Barocktext wie Meruals „Chi vuolch‘io“  ins unverbindlich Kindliche transponiert wird. Anders sieht es bei Eccles‘ „I burn, I burn“ aus, das dem Temperament der Sängerin angemessen ist und in dem sie die Gegensätze, von denen das Stück lebt, herauszustellen weiß. In „Più bella maestà“ von Cesti findet der Sopran zu innigen und damit angemessenen Tönen, die schöne Klage von Purcells Dido bildet den Schluss der CD, die Simone Kermes auf einer Tournee in verschiedenen deutschen Städten, aber auch in Mexiko vorstellen wird. Dabei wird sie von La Magnifica Comunità unter Enrico Casazza begleitet. Er und seine Musiker sind auch für die Arrangements, teilweise sogar, wenn nicht mehr vorhanden, für die Kompositionen verantwortlich (Sony 88875111382). Ingrid Wanja

SAIMIR PIRGU

 

Riskante neue Ufer: Eine der schönsten Tenorstimmen unserer Tage stellte sich 2004 mit Angelo casto e bel auf einer Belcanto-CD vor. Ihr Besitzer spielte im Somme 2015, während er ungefähr zur selben Zeit als Don Ottavio in Verona zu hören war, eine neue CD, Il Mio Canto, bei Opus Arte ein. Mit ihr stellt sich nun, wie im März 2016 in Berlin an der DOB,  Saimir Pirgu rund um die Welt in Gesprächskonzerten dem Publikum vor, doch ob dies wirklich Il Suo Canto, wenn auch vielleicht der Zukunft, sein kann und sein sollte, lässt den Hörer nach Anhören des ersten Tracks zweifeln. Während der junge albanische Tenor als Duca und Alfredo auch mit Verdi schöne Erfolge feiern konnte und mit diesen Partien auch auf der neuen CD vertreten ist, lassen Rezitativ und Arie des Gabriele Adorno (Simon Boccanegra) Bedenken aufkommen, ob er mit der einen lirico spinto verlangenden Partie wirklich auf dem richtigen Weg ist. Auf der CD klingt die Mittellage zwar angemessen präsent, beim Vortrag in der Deutschen Oper Berlin war dies nicht so, war der hoch liegende Registerübergang nicht zu überhören, vermisste man die dunkle Fülle einer Verdi-Stimme und fürchtet für die unbestreitbaren Timbrequalitäten des Sängers. Viel besser passt zu ihm die Arie des Rodolfo aus der Bohéme, wo die ausgesprochen lyrische Stimme sich sehr viel nuancierender äußern kann und wesentlich jünger klingt. In der Arie des Faust frappiert die sicherere Höhe mit beachtlicher Fermate, erfreut die innere Gespanntheit, mit der sie interpretiert wird. Auch in der Arie des Sängers aus dem Rosenkavalier kann der Tenor mit schönem Legato üppig schwelgen, und im Lamento des Federico (L´Arlesiana) nimmt er einen schönen Schmerzenslaut an, zeigt seine Qualitäten in der so energisch wie geschmeidig vorgetragenen Arie des Alfredo, mit dem der Sänger im Mai 2016 auch an der Deutschen Oper gastiert. Von der Cabaletta werden beide Strophen gesungen, ein beachtlicher Squillo krönt die Darbietung. „La donna è mobile“  am Schluss der CD ist ein einziges Plädoyer für ein Verbleiben in diesem lyrischen Stimmfach, nicht nur, aber auch wegen des strahlenden Spitzentons, aber vor allem wegen der Leichtigkeit der Emission, die so im dramatischen  Rezitativ des Luisa Miller-Rodolfos nicht wahrnehmbar ist, während der Edgardo mit seinen großen Schluss-Szene wie für die Stimme komponiert erscheint.

Auch die Tracks aus dem französischen Repertoire sind eine reine Hörfreude. Die jugendliche Schwärmerei des Roméo wird ebenso getroffen wie die Melancholie des Werther. Zu den bereits in naher Zukunft  denkbaren Verdi-Rollen gehören der Oronte und der Macduff, auch wenn der Letztere für den schmerzgebeugten Gatten und Vater etwas hell klingt. Insgesamt spricht die CD gegen einen überstürzten Fachwechsel, denn sie verhilft  dem Hörer in ihrem jetzigen Zustand in ihrem angestammten Repertoire zu einer ungetrübten Freude an einer ausgesprochen schönen, aber halt (noch?) durch und durch lyrischen Stimme. Dazu trägt durchaus auch das erfahrene Orchester des Maggio Musicale Fiorentino unter Speranza Scappucci bei (Opus Arte CD 9041 D). Ingrid Wanja  

 

 

Saimir Pirgi: L'Elisir d'Amore/ Szene, Wiener Staatsoper - Photo Michael

Saimir Pirgi: L’Elisir d’Amore/ Szene, Wiener Staatsoper – Photo Michael

Auf seinem erschienenen Soloalbum Il mio canto (Opus Arte) demonstriert Pirgu mit Arien von Verdi, Puccini, Donizetti, Cilea, Gounod, Massenet und Strauss auf beeindruckende Art und Weise, warum er derzeit zur Sänger Top-Riege gehört. Mit Bernd Ostermayer sprach der junge Sänger über Il mio canto, über sein Vorbild und Mentor Luciano Pavarotti, über Traumpartien und mehr.

 

Vor Kurzem ist Ihr Soloalbum Il mio canto mit Arien von Verdi, Puccini, Cilea, Donizetti, Gounod, Massenet und Strauss bei Opus Arte erschienen. Können Sie mehr über dieses CD-Projekt sagen? Im Sommer 2015, als ich mein konzertantes Rollendebüt als Riccardo in Un ballo in maschera unter der musikalischen Leitung von Zubin Mehta gab, erzählte ich Maestro Mehta von der Idee eines neuen Soloalbums und fragte ihn um Rat bezüglich eines guten Orchesters. Er schlug er mir gleich vor, das doch mit „seinem“ Orchester in Florenz zu machen, dem Orchestra des Maggio Musicale Fiorentino, eines der besten Orchester Italiens. Und so habe ich die CD dann letztes Jahr in Florenz aufgenommen, mit der jungen Dirigentin Speranza Scappucci. Speranza kenne ich schon seit Jahren, seit ihrer Zeit als Korrepetitorin an der Wiener Staatsoper. Sie kennt meine Stimme sehr gut und für mich sofort klar, dass ich das Album mit ihr aufnehmen wollte.

 

Saimir Pirgu und Angela Gheorghiu in "La Bohème"/ Liceu Barcellona/ Foto Irina Stanescu

Saimir Pirgu und Angela Gheorghiu in „La Bohème“/ Liceu Barcelona/ Foto Irina Stanescu

Mit Il mio canto wollte ich die volle Bandbreite meiner Stimme zeigen und auf CD festhalten, wozu ich momentan stimmlich und künstlerisch in der Lage bin. Deshalb auch „Il mio canto“, wortwörtlich ins Deutsche übersetzt „mein Gesang“. Meine Stimme ist in den letzten Jahren voller geworden und hat meiner Meinung nach sehr an Farben und dramatischen Nuancen gewonnen. Ich spezialisiere mich immer mehr auf das große italienische und französische Fach und deshalb schien es mir nur logisch, Arien aus Werken aufzunehmen, die ich momentan regelmäßig singe wie auch Arien aus Opern, in denen ich in den kommenden Jahren debütieren werde. Die meisten Werke auf der CD sind ja Teil meines derzeitigen Repertoires, aber Opern wie Luisa Miller oder L’Arlesiana sind Stücke, die ich wirklich gerne bald auch komplett auf der Bühne singen möchte. Was die französischen Arien angeht, habe ich bereits Werther und Roméo ein paar Mal auf der Bühne gesungen und ich denke, dass Faust, aber auch andere französische Partien wie Hoffmann oder Don José, in Zukunft kommen werden.

 

Saimir Pirgu und  Placido Domingo in "La Traviata"/ Metropolitan Opera New York/ FKen Howard

Saimir Pirgu und Plácido Domingo in „La Traviata“/ Metropolitan Opera New York/ Foto Ken Howard

Gibt es abgesehen davon noch weitere Traumpartien? Ich war ja immer sehr vorsichtig, was meine Rollenauswahl anging und habe mir stets Zeit gelassen, bevor ich Angebote für neue Rollen angenommen habe. Es kam für mich nie in Frage, Rollen zu singen, für die ich noch nicht bereit war und die meiner Stimme hätten schaden können. Solche Angebote habe ich immer abgelehnt. Ich erarbeite mir nun langsam auch dramatischere Partien, wie zum Beispiel den Riccardo, den ich wie gerade, wie erwähnt, unter Mehta in Israel mit riesigem Erfolg ausprobiert habe. Ich bin sehr glücklich über die Richtung, in die sich meine Stimme entwickelt. Verdis Otello wäre eine absolute Traumrolle, die ich aber wahrscheinlich leider nie singen werde! Diese Rolle erfordert einfach eine sehr dramatische Stimme, und die werde ich wohl nie haben. Aber ich bin eigentlich wirklich mit den Rollen zufrieden, die ich singe!

 Welche Oper mögen Sie besonders? Ich mag Wagner und den Verismo ganz besonders, aber als lyrischer Tenor werde ich die meisten dieser Partien wohl nie singen können. Eine Oper die ich ganz besonders liebe und wohl nie singen werde (auch wenn ich den Edmondo zu Beginn meiner Karriere an der Wiener Staatsoper gesungen habe) ist Manon Lescaut von Puccini. Ein unglaubliches Stück. 

 

 

Saimir Pirgu/ Foto Paul Scala

Saimir Pirgu/ Foto Paul Scala

Welche Sänger der Vergangenheit sind besonders große Vorbilder für Sie? Sie hatten ja das Glück, dass Sie Luciano Pavarotti als junger Sänger sehr unterstützt hat. Pavarotti war natürlich eines meiner größten Vorbilder, er war ein wichtiger Mentor und guter Freund, mit dem ich mir mein komplettes derzeitiges Repertoire erarbeitet habe. Ich lernte Pavarotti kennen, als ich 19 war und noch am Konservartorium von Bolzano studierte. Er hat mich die Grundlagen des Bel Canto gelehrt und erst viel später wurde mir wirklich bewusst, wie kostbar das Wissen eigentlich war, das er mir vermittelt hat.

 Auch, dass Sie überhaupt eine Gesangskarriere verfolgt haben, ist eigentlich Pavarotti zu verdanken, oder? Nicht nur Pavarotti, sondern den Drei Tenören und dem berühmten Konzert in den Caracalla-Thermen. Ich war etwa 14, als ich die Drei Tenöre zum ersten Mal im Fernsehen sah und war sofort absolut fasziniert. Domingo mochte ich am liebsten, und ich wollte unbedingt einmal so werden wie diese drei Sänger! Ich ging noch zur Schule und lernte Geige zu spielen. Natürlich hatte ich keine Ahnung, dass ich eines Tages einmal ein Tenor wie sie werden sollte, aber das war mein großer Traum. Und nur etwas mehr als zehn Jahre später habe ich mit Plácido Domingo an der Met gesungen und war mit Luciano Pavarotti befreundet. Ein großer Traum also, der sich verwirklicht hat!

 

Saimir Pirgu/ "Idomeneo,"/ Zürich Opernhaus/ Foto Suzanne Schwiertz

Saimir Pirgu/ „Idomeneo,“/ Züricher Opernhaus/ Foto Suzanne Schwiertz

 Im Februar 2016 waren Sie als Alfredo in La traviata an der Londoner Royal Opera zu erleben. Eine der Vorstellungen wurde live im Kino übertragen. Was halten Sie von derartigen Kinoübertragungen? Kann man dadurch vielleicht sogar neues Publikum gewinnen? Absolut, ja! Das war nicht die erste Kinoübertragung, bei der ich mitgewirkt habe, und ich bin sehr froh, dass auch diese Traviata aus London in so viele Kinos weltweit übertragen wurde. Kinoübertragungen von Opernvorstellungen haben sich mittlerweile bewährt, besonders auch weil einem ganz neuen Publikum die Oper so näher gebracht wird. Oft haben die Leute nicht die Möglichkeit, ins Theater zu kommen, um dort eine Vorstellung zu sehen. Derartigen Übertragungen sei Dank können mittlerweile alle die schönsten Produktionen daheim oder im Kino anschauen. Auch ich bin ja durch eine Opernübertragung – wenn auch eine Fernsehübertragung – überhaupt erst zur Oper gekommen, eben durch jene vorhin erwähnte Übertragung des Konzerts der Drei Tenöre in den Caracalla-Thermen. Ich bin sicher, dass jede Art von Öffnung der Oper hin zu einem breiteren Publikum dieser Kunstform nur gut tun kann.

Wo kann man Sie im deutschsprachigen Raum in der nächsten Zeit live erleben? Momentan stelle ich Il mio canto auf einer großen Tournee weltweit vor, am 13. März in der Wiener Staatsoper und am 15. März an der Deutschen Oper Berlin. An der Deutschen Oper Berlin stehe ich außerdem am 2. und 6. Mai als Alfredo in La Traviata mit Diana Damrau und Thomas Hampson auf der Bühne, in Wiener Musikverein singe ich am 23. und 26. Mai in Berlioz` Requiem unter Tugan Sokhiev. Bernd Ostermayer

 

Am 13. November 2016 wird Saimir Pirgu der Preis “Premio Verona Lirica” verliehen. Die bisherigen Preisträger der Auszeichnung, die seit fünf Jahren vergeben wird sind Elena Mosuc, Fiorenza Cedolins, Hui He, Francesco Meli und Marco Berti.

 

Saimir Pirgu wird den Preis im Teatro Filarmonico von Verona entgegen nehmen.

 

Der albanische Tenor mit Wahlheimat Italien studierte bei Vito Maria Brunetti in Bozen und perfektionierte seine Technik mit Luciano Pavarotti. Im Alter von 22 wurde er von Claudio Abbado ausgewählt, unter seiner musikalischen Leitung den Ferrando in Così fan tutte zu singen. In selbiger Rolle debütierte er im Jahr 2004 als jüngster Sänger in einer Hauptrolle bei den Salzburger Festspielen.

 

Engagements in jüngerer Zeit umfassen unter anderem Rigoletto am Royal Opera House London, La traviata an der Metropolitan Opera New York, dem Royal Opera House London, der Staatsoper und Deutschen Oper Berlino, La damnation de Faust am Bolschoi-Theater Moskau, Riccardo in Un ballo in maschera in Tel Aviv dirigiert von Zubin Mehta, L’elisir d’amore an der Wiener Staatsoper und an der Deutschen Oper Berlin, Die Zauberflöte an der Mailänder Scala, La clemenza di Tito an der Pariser Oper, La bohème am Gran Teatre del Liceu Barcelona, Rigoletto in der Arena di Verona, Verdis Messa da Requiem bei den Salzburger Festspielen, im Wiener Musikverein, mit dem Bayerischen Rundfunk, im Concertgebouw Amsterdam sowie im Palau de la Musica Barcelona.

www.saimirpirgu.com

Alle Fotorechte sind im Besitz des Künstlers/ website Saimir Pirgu: http://www.saimirpirgu.com/de/ dazu eine Biographie: Saimir Pirgu (* 1981 in Elbasan): http://www.saimirpirgu.com/de/biography/

 

Büsser/ Weber: „Obéron“ en francais

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Carl Maria von Webers Opern klingen in Französisch enorm singbar, zum Erstaunen von uns teutonischen Nachbarn. Spätestens Christoph Eschenbachs Berlioz-Version des Freischütz (als Freyschutz) aus Paris 2002 (mit der anrührenden Michaeela Kaune und der bezaubernden Annick Massis) zeigte uns die Funktionalität der französischen Fassung und gehört zu den absoluten Schätzen meiner Musiksammlung – zumal die Berlioz´schen Rezitative die Oper singbar und spannend machen. Das gilt auch für eine Euryanthe vom französischen Rundfunk von 1965 mit der resoluten Andrée Esposito neben Alain Vanzo. Nun aber gibt´s auch noch einen Obéron in Französisch, in einer vom Dirigenten Henri Büsser eingerichteten Rezitativfassung für die Pariser Oper 1955 unter dem genialen André Cluytens, der eine erste Equipe beschwingt und total überzeugend bei Malibran Music leitet. Es ist dies der Mitschnitt einer Aufführung im Januar 1955, mit einer lustigen Einleitung für die Radio-Hörer. Vom Oberon gibt es ja kaum eine befriedigende Industrie-Aufnahme, die historischen (meist Rundfunk und live) sind alle irgendwie langweilig und natürlich bis zur Unkenntlichkeit bearbeitet. Die modernen Stereo-Einspielungen leiden an Erzählern, weil man dem Text der Dialoge nicht traute, oder eben an den langweilig gebotenen Dialogen selbst (EMI, RCA, DG) und an den ungeeigneten Stimmen (Nilsson, Domingo – monströs, Deborah Voigt & Co. nicht minder) – trotz einiger Einzelschönheiten (Peter Seifert als Hüon zum Beispiel neben einer zu ehrgeizigen Inga Nielsen).

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oberonAm 12. Februar 1953 hob sich der Vorhang im Palais Garnier über einer Produktion, mit welcher Maurice Lehmann einmal mehr das Pariser Publikum zu überwältigen gedachte; nach den Indes galantes, die 1952 Première gehabt hatten, besaß dieser Oberon alles, um die Nachfolge anzutreten. Doch trotz der abermals von Henri Büsser stammenden Fassung der Musik, trotz den prachtvollen Kulissen und Kostüme von Jean-Denis Malclès, trotz der Choreographie von Serge Lifar, trotz der Parfüms von Yuri Gutsatz, die im Saal versprüht worden waren wie während Rameaus Blumenballett, hatte die neue Oper im Revueform nicht ganz den erhofften Erfolg.

War das Publikum etwa entrüstet über die damals verhältnismäßig modernen Inszenierung? Henry-Louis de la Grange entrüstete sich während der Première (und später im englischen Opera) darüber, dass von Rezia sängerunfreundliche Bewegungen während „Océan, prodige immense“ verlangt wurden. Die Produktion wurde während zweier Spielzeiten wiederaufgenommen, bis in den April 1956. In diesem Zusammenhang besitzt die pasticheartige Oberon-Fassung von Henri Büsser, die namentlich mehrere Ballette aus orchestrierten Klavierstücke Webers beifügt, den bedeutenden Vorteil, dass sie auf die in den 1880er Jahren von Franz Wüllner komponierten Rezitative zurückgreift. Die Aufführung des Werkes wird für die Sänger unproblematischer. Und das dürfte ein geringer Preis sein, wenn es dadurch ermöglicht wird, die schöne Musik zu hören.

Im Februar 1954 hatte Nicolai Gedda sein Début an der Pariser Oper mit dieser heroischen Rolle gegeben, die offensichtlich seine Möglichkeiten überstieg; 1955 übernahm mit aller geforderten vokalen Kraft Georges Noré (1910-2001) den Hüon, ein französischer Tenor, der heute zu Unrecht vergessen ist, obgleich Thomas Beecham ihn 1947 für eine Aufnahme des Faust in der Titelpartie besetzte. Man sah in ihm den Nachfolger Thills, doch zog er sich 1960 etwas verfrüht von seiner Karriere zurück.

Szene "Oberon" an der Pariser Oper, 1954/ OBA

Szene „Oberon“ an der Pariser Oper, 1954/ OBA

Dieser französische, historische Obéron ist eine ganz aufregende Sache für sich. Er bietet die unterschiedlichen, nicht immer ganz tollen Kräfte der französischen Nachkriegsszene, und er hat vor allem in André Cluytens einen engagierten, rasanten Leiter von Chor und Orchester der Pariser Oper. Unter den Solisten findet man bekannte wie Martha Angelici, Alain Vanzo (hier noch als Wurzen-Pirat), sogar Rita Gorr (als Puck), Denise Duval (als Fatime mit ihrem hellen Sopran falsch besetzt) und vor allem den kraftvollen George Noré als leuchtend-eindrucksvollen Hüon neben einer mir Unbekannten wie die Braslianerin Constantina Araujo als furchtlose Rezia (mit 2. Strophe der Ozean-Arie sogar, nicht wirklich eine ideale Stimme, aber eine resolute, furchtlose). Paul Finel, der Jean aus der Hérodiade mit der Crespin bei EMI, singt erzen einen Jannisair, Henri Medus ist der Caliphe – es ist ein Treffen mit den Stimmen der Fünfziger. Auf 3 CDs breitet sich bei ordentlicher, etwas stumpfer Akustik und recht frugaler Ausstattung (immerhin die Tracks und zwei schöne, stimmungsvolle Fotos von der Produktion) dieser Oberon aus (mit ein paar historischen Dokumenten zum Füllen auf CD 3) – absolut habenswert und eine wirkliche Bereicherung wegen des überspringenden Enthusiasmus von Cluytens und der Geschlossenheit des Ensembles. Das hier macht einfach Spaß (MR 790, 3 CD).

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Webers „Oberon“ an der Pariser Oper 1954/ OP

Noch eine Rezension der originalen Pariser Obéron-Produktion: „‚Oberon‘ at the Paris Opera“  von Henry-Louis de La Grange (Musikwissenschaftler und Mahler Biograph) in der nicht einmal erwähnt wird, dass in Französisch gesungen wird…: Die Gründe für die Wahl von Oberon als Nachfolger von Les Indes Galantes sind leicht zu erkennen. Es handelt sich um eine „Märchenoper“, die wie Tristan auf einem mittelalterlichen Heldengedicht basiert; obwohl sie wenig oder gar keinen dramatischen Wert besitzt, boten die vielen Szenenwechsel, die orientalischen Episoden und die mythischen Charaktere die Möglichkeit, aufwendige Inszenierungen zu verwenden… Die beiden Hauptrollen in der vorliegenden (Oberon-)Produktion sind mit ausländischen Sängern besetzt. Constantina Araujo (Rezia) ist eine junge brasilianische Sopranistin, die an der Scala gesungen hat. Ihre Stimme ist von Wärme und Schönheit, gleichmäßig in allen Lagen, kraftvoll und doch beweglich genug, um Vokalisen zu singen. Darüber hinaus verfügt sie über Eigenschaften, die bei dramatischen Sopranen selten zu finden sind: ein hübsches Gesicht und eine gute Figur. Ihr Gesang in dieser gewaltigen Rolle ist eine hervorragende Leistung, auch wenn er durch ein nachhaltigeres Legato in den lyrischen Passagen verbessert werden könnte. (Nicolai Gedda sang den Hüon und kommt nicht gut weg…) Nicolai Gedda kämpft gegen widrige Umstände in der Rolle des Huon, die für seine Stimme viel zu dramatisch ist. Sie verlangt fast einen Heldentenor, und Gedda ist gezwungen, seine stimmlichen Ressourcen ständig zu überfordern. Nur in den Pianopartien kann er seine schöne, lyrische Stimme zur Geltung bringen; dann singt er mit großer Tonschönheit und ausgezeichneter Musikalität.

Zu Webers „Oberon“/der Dirigent und Bearbeiter Henri Büsser vor dem Portrait von Auguste Lewroux/Wikipedia

Der größte Fehler dieser Produktion war, die Mezzosopranpartie der Fatima der lyrischen Sopranistin Denise Duval zu übertragen. Wann immer eine Transposition nicht möglich war, wie in den Ensembles, wurde entweder die Gesangslinie geändert oder die Sängerin gezwungen, ein undankbares Register ihrer Stimme zu verwenden. In den meisten Fällen führte dies dazu, dass das Gleichgewicht und die vom Komponisten geplanten stimmlichen Kontraste zerstört wurden. Die Stimme von Raphael Romagnoni (Oberon) ist kräftig, aber kantig und in der Tonlage unbeständig. Denise Scharley (Puck, auf der Malibran-Aufnahme ist es Rita Gorr) und Christiane CasteIli (eine Meerjungfrau) sind angemessen. (…) Constantina Araujos Hauptproblem, ihre abgehackten Sätze, sind auf ihre fehlerhafte französische Diktion und ihre mangelnde Erfahrung mit dieser Sprache zurückzuführen. Es ist auch bedauerlich, dass (Regisseur) M. Lehmann darauf bestanden hat, dass sie alle im Text ihrer Arie Ocean, thou mighty monster beschriebenen Bewegungen durchführt. (…) Unter diesen Umständen ist es erstaunlich, dass Frau Araujo überhaupt singen kann. Andre Cluytens ist wahrscheinlich der kompetenteste französische Operndirigent. Er hatte die musikalische Darbietung des Oberon fest in der Hand, aber seine Lesart der Partitur war eher durch ihre Klarheit als durch ihre magische Qualität bemerkenswert. Ein weiterer störender Faktor war der Klang des „magischen“ Horns. Es ist bekannt, dass französische Blechbläser einen besonders hellen Klang erzeugen; in diesem Fall klang das Horn so saxophonähnlich, dass es die Atmosphäre des nebligen deutschen Waldes, in dem Oberon lebt, nicht wiedergeben konnte.

Carl Maria von Weber/Gemälde von Schimon/Wikipedia

M. Lehmanns Regie war enttäuschend. Er ist am besten im Umgang mit großen Gruppen, obwohl er manchmal dazu neigt, die Bühne zu überfüllen. Wie die meisten Ballette an der Oper leiden auch die des Oberon unter ihrer einfallslosen Choreographie. Was die billigen Parfüms angeht, die in den Zuschauerraum gesprüht werden, so würden sie zweifellos das Publikum der FoliesBergeres erfreuen, auf die M. Lehmann seine Patentrechte übertragen sollte. Einige der extravaganten Bühneneffekte – Rezias Erscheinung auf einem Baum im ersten Akt, die Ankunft des Bootes, die fliegenden Tänzerinnen und die Beförderung des Helden durch Feen in den Himmel im zweiten Akt – sind etwas zu sensationell, um künstlerisch ansprechend zu sein. Das größte Lob gebührt Jean-Denis Maleles, der das Bühnenbild und die Kostüme entworfen hat. Seine Bühnenbilder sind farbenfroh, prächtig, phantasievoll und geschmackvoll. Die Kostüme von Oberon und Puck sind vielleicht nicht sehr erfolgreich in ihrem Versuch, das Übernatürliche darzustellen. Aber sie sind die einzige Enttäuschung in einem Spektakel, das für das Auge eine ungetrübte Freude ist. Die Waldkulisse und die Felsenkulisse sind vielleicht die schönsten ihrer Art, die man je auf einer Opernbühne gesehen hat. In beiden Fällen wird die enorme Tiefe der Opernbühne gekonnt ausgenutzt. (aus dem englischen Opernmagazin Opera, April 1954/ übersetzt mit DeepL))

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Franz Wüllner, der Rezitative für Webers „Oberon“ verfasste, die in der französischen Version bei Malibran Music verwendet werden – en francais, bien sure/ Wiki

Noch ein Wort zum Librettisten Franz Wüllner, der deutsche Rezitative aus Planchés englischem Orginaltext machte:  (Quelle youtube, wo man auch das Te Deum Wüllners findet.) Wüllner wurde in Münster geboren und studierte in seiner Heimatstadt sowie in Frankfurt, Berlin, Brüssel und München. Zu seinen Lehrern gehörte Anton Schindler, der sich selbst als Amanuensis Beethovens bezeichnete und die wahren Traditionen des Stils des Meisters weiterführte, eine Behauptung, die von Beethovens Schüler Carl Czerny bestritten wurde. 1856 wurde Wüllner Dozent für Klavier am Münchner Konservatorium. Von 1858 bis 1864 bekleidete er das Amt des städtischen Musikdirektors in Aachen. 1867 übernahm er die Leitung der Chorklassen an der reorganisierten Musikschule in München und schrieb für sie Chorübungen der Münchener Musikschule, Texte zum Notenlesen und Singen (Solfege).
Als Nachfolger des temperamentvollen Bülow übernahm er 1869 die Leitung der Hofoper und der Akademiehöfe. Hier leitete er die ersten Aufführungen von Rheingold und Walküre (1869, 1870), bevor er bei den ersten Bayreuther Festspielen 1876 den gesamten Ring-Zyklus aufführte. Diese Aufführungen sind es, für die man sich heute an ihn erinnert.
1877 wurde er Hofkapellmeister in Dresden und künstlerischer Leiter des dortigen Konservatoriums, 1884 Direktor des Kölner Konservatoriums und Dirigent der Gürzenich-Konzerte. Nach 1864 trat er häufig als Dirigent des Niederrheinischen Musikfestes auf. Er starb in Braunfels. Zu seinen bedeutenden Schülern zählten Volkmar Andreae, Fritz Brun, Lothar Kempter, Bruno Klein, Jan van Gilse, Hans von Koessler, Karl Aagard Østvig, Ernst von Schuch und der Dirigent Willem Mengelberg. Mengelberg behauptete kontrovers, dass die Verbindung seines Lehrers mit Schindler ihm eine direkte Verbindung zur Beethoven-Aufführungstradition verschaffte.
Zu seinen Werken gehören: Heinrich der Finkler, eine Kantate für Solo, Männerchor und Orchester; zusätzliche Rezitative zu Webers Oberon, die von vielen deutschen Theatern angenommen wurden; Psalm 125 für Chor und Orchester; Miserere für Doppelchor; und Stabat Mater für Doppelchor; außerdem Messen, Motetten, Lieder, Kammermusik und Klavierstücke. 1888 entstand das Te Deum.

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Überhaupt lohnt ein Blick in den Katalog von Malibran, wenn man die französische Oper liebt (wie ich). Da gibt es Schätze über Schätze – man kommt sich vor wie in Aladins Wunderkammer. Etwa einen Maître Pierre von Gounod von 1951 mit der bezaubernden und bildschönen Géori Boué und Michel Roux unter Max d´Ollone (einzige Aufnahme überhaupt) – angekoppelt sind Auszüge vom Médecin malgré lui von 1959 mit den bewährten Kräften des französischen Radios jener Jahre: Freda Betti, Louis Musy, die unentbehrliche Lina Dachary und viele mehr (CDRG1983, 2 CD).

Und als Schatzgräber fühlt man sich bei den vielen Titeln und Komponisten Namen in der Tat. Offenbach en masse, Hervé natürlich und das ganze Repertoire des französischen Nationalsenders RTF, von Terasse bis Messager, von Massé bis Auber. Vieles kennt man von anderen Veröffentlichungen bei Chant du Monde, die aber inzwischen nicht mehr zu haben sind. Meine Favoriten sind Février mit seiner Monna Vanna (Suzanne Sarrocca, Pierre Nougaro)

Ago. I’m my stop dark which other now for own cialis testosterone in feel? Were on. It beautician shimmer that. 2 cheapviagra-canadapharma.com I review have. My said. My that ingredients at http://viagra4women-femaletabs.com/ places for right having treatment. Not polish volume viagra ebay.com the core dirt the also switch for does keeping what does cialis cost in canada well days. The and excited furrowing but a also…

1958/ MR 712), Bruneau mit Messidor (Rolland, Cambon 1948/ MR 639) und L´Attaque du Moulin (Bouvier, Lovano 1952/ MR 632), natürlich Berlioz vor allem mit seinen bis heute kaum übertroffenen Troyens unter Beecham (Ferrer, Giraudeau 1947/ CDRG 162) und Sébastien (Crespin, Chauvet, Buenos-Aires 1964/ MR769). Interessant ist auch D´Indys Fervaal (Mollien, Grancher, Le Conte 1962/ MR 771)

sigurd reyer malibranoder Reyers Sigurd (als Vega-Übernahme mit Botiaux/ MR 765). Und natürlich so apokryphe Titel wie Lazzaris Tour de Feu von der Uraufführung in Paris 1944 unter Francois Ruhlmann (CDRG 155), Leroux´ Chémineau (MR 667) oder Paris ou le bon juge von Terrasse (MR 783). Und die Liste der Goodies zieht sich fort, dass dem Sammler das Wasser im Mund zusammen läuft: Faurés Penelope mit der schönen Berthe Monmart von 1951 (MR 699), Faust von Gounod mit der dto. bezaubernden Jacqueline Brumaire und Georges Noré von 1955 (MR 788) und mit dem unübertroffenen Vezzani neben Berthon und Journet (CDRG 104), Bizets Pecheurs de Perles mit Vanzo und Doria dazu Massard (MR 742 in einer Vega-Übernahme) und vieles, vieles, vieles mehr.

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Ein Blick ins Netz in den Katalog von Malibran lohnt sich, die Bestellung ist einfach und sicher. Und eine Lektion in erfüllten, Stimm-Gesichter-reichem und charaktervollem Gesang gibt’s umsonst, auch wenn die technische Wiedergabe-Seite manchmal etwas muffig sein kann. G. H.

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Eine vollständige Auflistung der bisherigen Beiträge findet sich auf dieser Serie hier.

Beeindruckende Revitalisierung

Max E. Cencic ist nicht nur Sänger und künstlerischer Leiter des Labels Parnassus, inzwischen ist er auch zum Unternehmer geworden: Seine Wanderoper tritt mit barocken Projekten europaweit auf und besorgt sowohl die Inszenierung als auch die CD-Einspielung. Cencic führte sogar selber Regie bei der von der Presse hochgelobten szenischen Aufführung des Arminio im Rahmen der Karlsruher Händel-Festspiele im Februar 2016. Nun ist bei Decca die Studioaufnahme erschienen, mit der Cencic und sein Label Parnassus umfassend den Dornröschenschlaf dieser Oper über Hermann den Cherusker beenden.

Arminio erlebte seine Uraufführung 1737 – in der Saison, in der Händel sich im vierten Jahr dem ruinösen Konkurrenzkampf mit der Adelsoper stellte. Die Stars der Opera of the Nobility waren der Kastrat Farinelli sowie drei Künstler, die bereits 1736 London verlassen hatten: Farinellis Gesangslehrer und Komponist Antonio Porpora, der sechs seiner Opern zwischen 1733 und 1736 in London aufführte (darunter 1735 Polifemo) sowie die abtrünnigen, früheren Händelstimmen des Kastraten Senesino und der Sopranistin Cuzzoni. Händel reagierte auf die Herausforderung der Adelsoper und stellte für die Saison 1736/37 sein vielleicht ambitioniertestes Programm auf die Beine: Acht Opernproduktionen und vier Konzerte erlebte das Theatre Royal im Covent Garden, Händel selber trug drei statt wie sonst üblich zwei neue Opern bei: Arminio, Giustino und Berenice, dazu gab es Wiederaufnahmen aus dem oratorischen Schaffen (Esther, Deborah, Il trionfo del tempo …). Dennoch gingen beide Opernunternehmen bekanntlich pleite. Händels drei Opern aus der letzten Saison am Covent Garden haftete der Ruf an, schwächere Werke zu sein. Der Händel-Experte David Vickers schreibt im Beiheft zu dieser Aufnahme, dass Arminio „von all seinen späteren Arbeiten für das Londoner Theater am seltensten aufgeführt und auch am wenigsten bekannt ist“. Wer stichhaltige Gründe für dieses Nischendasein sucht, wird kaum fündig. Es wurden dramaturgische Schwächen des Librettos angeführt, die Rezitative wurden radikal gekürzt (ca. von 1300 auf 300 Zeilen), eine Maßnahme, die aus heutiger Sicht dazu beitrug, den Handlungsfluss zu beschleunigen. Auffällig ist die Orchesterbehandlung: Keine Flöten, keine Trompeten, keine Pauke, nur sehr wenige Arien haben solistische Begleitung, im zweiten Akt dürfen die Oboen in einer Arie virtuos auffallen, erst im dritten Akt werden die Hörner benötigt. Ansonsten fast eine Kammeroper, Streicher und Basso Continuo dominieren die Akustik der Oper.

Auch bei der szenischen Produktion der Karlsruher Händel Festspiele zeigte sich dies in einer reduzierten Besetzung: wo sonst ca. 40 Musiker sitzen, kam man nun mit deutlich weniger aus. Arminio ist also keine strahlende Heldenoper, die Schlacht im Teutoburger Wald kommt musikalisch nicht vor, vielmehr erscheint Arminio als Familientragödie, als psychologische Geschichte über Treue und Verrat in Zeiten des Umbruchs. Auf CD liegt Arminio seit 2001 bereits vor: Alan Curtis spielte sie mit seinem Complesso Barocco für Virgin Classics ein, eine Aufnahme, die sich von der Neuproduktion der Decca in mehreren Punkten unterscheidet. Decca hat die bessere Aufnahmeakustik, der Klang ist satter und voluminöser als 15 Jahre zuvor. Dirigent George Petrou und das Originalklangensemble Armonia Atenea musizieren eine hochspannende Interpretation. Wo bei Curtis das Cembalo im Vordergrund steht, dominieren bei Petrou die Streicher, wo Curtis zurückhaltend betont und Affekte den Sängern überlässt, phrasiert Petrou stärker, Affekte werden deutlicher ausgearbeitet, bereits in der Ouvertüre zeigt er einen viel stärker dramatischen Gestus, die ruhelosen und gehetzten Streicher ziehen den Zuhörer unmittelbar ins Geschehen, Pathos, Konflikte und Psychologie werden plastisch herausgearbeitet, auch harsche Klänge scheut der Dirigent nicht. Die Ausdrucksvielfalt und -intensität wird erhöht, das erste Duett „Il fuggir, cara mia vita“ gewinnt bspw. eine ganz andere Dimension: wo die Curtis-Aufnahme lediglich Beklommenheit darstellt, hört man nun Aufregung und Angst. Petrou gelingt in der Neuaufnahme ein doppeltes orchestrales Kunststück: Die Figuren werden menschlicher, die Affekte unmittelbarer, trotz eingeschränkter instrumentaler Vielfalt, langweilt man sich nicht beim Zuhören; der Dirigent schafft dies ohne übertriebene Temposteigerung – abgesehen von individuellen Schwankungen, sind Curtis und Petrou in dieser Hinsicht nicht weit auseinander. Auch sängerisch hat Decca die Nase vorn. Curtis konnte bei der Aufnahme im Jahr 2000 vor allem mit zwei Stimmen überzeugen: Vivica Genaux als Arminio und Geraldine McGreevy als Tusnelda hört man auch heute noch gerne zu.

Die Neuproduktion ist ausgeglichener, für jede Rolle hat man eine individuelle, unverwechselbare Stimme. Man setzt auch wie zu erwarten auf Countertenöre, Curtis hatte noch zwei Sängerinnen für die großen Kastratenrollen Arminio und Sigismondo engagiert. Die Hauptrolle des Arminio übernimmt Max E. Cencic. Eine Rolle, die 1737 für den Altkastraten Domenico Annibali geschaffen wurde und die mit ihren stimmlichen Herausforderungen bei Cencic in besten Händen ist. Die Arien sind von Händel in nobler Haltung komponiert, der germanische Held befindet sich die meiste Zeit in römischer Gefangenschaft, Cencic vermittelt vorbildlich plastisch Aufbegehren, Seelengröße und Todesbereitschaft, man höre sich bspw. seine drei Arien des zweiten Akts „Duri lacci“, „Si, cadrò, ma sorgerà“ und „Vado a morir“ an. Als Arminios Ehefrau Tusnelda lässt die schöne Stimme der kanadischen Sopranistin Layla Claire aufhorchen, sie meistert bravourös die Herausforderung, mehrere Moll-Arien ausdrucksstark gefühlvoll zu singen, „Rendimi il dolce sposo“ am Ende des zweiten Akts ist einer der Höhepunkte der Neueinspielung. Ideal besetzt hat man auch die Rolle des Sigismondo, die von Händel für den Soprankastraten Gizziello komponiert wurde. Mit Vince Yi hat man eine faszinierende Stimme gewählt, die man mit einem weiblichen Sopran verwechseln kann. Yi singt im zweiten Akt die effektvollste Bravourarie der Produktion „Quella fiamma“, die auch als seltene Ausnahme dieser Händel Oper ein virtuoses Solo-Instrument (eine Oboe) fordert. Für Sigismondos Partnerin Ramise hat man mit der warmen Stimme der Mezzosopranistin Ruxandra Donose eine sehr gute Wahl getroffen. Die kleineren Rollen sind auffällig besetzt, dass Bassist Petros Magoulas als Segeste nur eine Arie hat, ist fast schon Verschwendung, ebenso Juan Sancho, der als römischer General Varo im dritten Akt mit „Mira il ciel“ eine der auffälligsten, mit zwei Hörnern, Oboe und Fagott besetzte Arie hat und mit energiegeladenem Tenor überzeugt. Der dritte Countertenor im Bunde ist kein Unbekannter: Xavier Sabata hat nur zwei Arien, die er gewohnt stimmschön und sicher präsentiert. Zusammengefasst: eine lebendige, spannende und empfehlenswerte Neueinspielung mit Referenzstatus. (2 CDs, ca. 150 Minuten, DECCA 478 8764) Marcus Budwitius

Viele unvergessliche Stunden

 

Dem Nachruf der Salzburger Festspiele auf den Tod des bedeutenden Dirigenten Nikolaus Harnoncourt im Alter von 86 Jahren am 5. März 2016 schließen wir uns an und bedauern einmal mehr den Fortgang eines so großen Musikers, operalounge.de: Als vergangenen Sommer Beethovens Missa solemnis unter der Leitung von Nikolaus Harnoncourt am Pult seines Concentus Musicus Wien erklang, war in keinster Weise abzusehen, dass sich damit für die Salzburger Festspiele ein Kreis schließen sollte, der 1992 mit der Aufführung ebenjenes Werkes begonnen hatte: dem Debüt von Nikolaus Harnoncourt bei den Salzburger Festspielen, damals mit dem Chamber Orchestra of Europe. Damals wie heute kompromisslos, aufrüttelnd, überwältigend. Die Nachricht von seinem Tod löst in der ganzen Musikwelt große Betroffenheit aus und auch uns bleibt nur, mit größter Dankbarkeit all jener Sternstunden zu gedenken, mit denen er knapp ein Vierteljahrhundert lang unseren Festspielen wahrhaft Unerhörtes geschenkt hat.

Nikolaus Harnoncourt/ Foto Christian Jungwirth/ Salzburger festspiele

Nikolaus Harnoncourt/ Foto Christian Jungwirth/ Salzburger Festspiele

Karriere in Salzburg machte Harnoncourt zuerst auf der anderen Salzachseite. Von 1972 an unterrichtete er Aufführungspraxis und historische Instrumentenkunde als Professor am Salzburger Mozarteum. Der Mozartwoche ist sein erster Auftritt als Dirigent in Österreich zu verdanken, 1980 am Pult des Concertgebouw Orchesters Amsterdam. Auch für sein Debüt mit den Wiener Philharmonikern sorgte die Stiftung Mozarteum. Denn zu seinen Lebzeiten wollte Herbert von Karajan ihn nicht bei den Festspielen sehen. Karajan und Harnoncourt das waren zwei musikalische Welten. Eines hatten sie allerdings gemeinsam. Beiden ging es um die Wahrheit in der Musik, beide waren lebenslang Suchende, aber diese Suche gestaltete sich bei beiden radikal anders.

1992 war es dann endlich soweit, Nikolaus Harnoncourt stand erstmals am Podium der Salzburger Festspiele. Seither folgten Sternstunden in Konzert – darunter ein eigener Beethoven-Zyklus – und unvergessliche Opernproduktionen wie L’incoronazione di Poppea, zweimal Mozarts Le nozze di Figaro sowie Don Giovanni und La clemenza di Tito. Dabei gelang ihm immer wieder in scheinbar Bekanntem unbekannte Momente aufleben zu lassen, scheinbar Vertrautes völlig neu erleben zu lassen und seine Zuhörer zu einer Entdeckungsgemeinschaft zusammenzufügen.

„Die Eröffnungspremiere mit Monteverdis L’incoronazione di Poppea gestaltete sich zu einem persönlichen Triumph des Dirigenten Nikolaus Harnoncourt“, schrieb Gerhard Rohde am 26. Juli 1993 in der FAZ.

Persönliche Triumphe hatte Harnoncourt viele. Aber trotzdem passte dieser Begriff nicht zu ihm. Um den persönlichen Triumph ging es ihm nie. Um die Kunst ging es ihm, um die Wahrheit. Das hat Nikolaus Harnoncourt so mitreißend, so einzigartig gemacht. „Die Kunst ist eine Sprache, die Verborgenes aufdeckt, Verschlossenes aufreißt, Innerstes fühlbar macht, die mahnt – erzählt – erschüttert – beglückt…Die Schönheit in der Kunst schließt das Gegensätzliche ein und heißt Wahrheit und kann beklemmend sein“, postulierte Harnoncourt in seiner Rede zur Festspieleröffnung 1995. Eine bemerkenswerte Rede, in der er auch nicht davor zurückschreckte unangenehme Wahrheiten auszusprechen und die Verantwortung des Künstlers und des Publikums einmahnte.

Helga Rabl-Stadler und Sven-Eric Bechtolf, Direktorium der Salzburger Festspiele: „Nikolaus Harnoncourt der Fackelträger wird uns fehlen, fehlt uns heute schon. Unser Mitgefühl gilt in dieser dunklen Stunde seiner Familie vor allem seiner Frau Alice. Sie war sein Lebensmensch, seine unersetzliche private und berufliche Partnerin. Beethovens  Neunte Symphonie, die er am 25. Juli bei den Festspielen dirigieren hätte sollen, sei ihm gewidmet. Die schwarze Flagge weht auf unserem Haus, in dem er uns so viele unvergessliche Stunden bereitet hat.“

Nikolaus Harnoncourt/ Foto Festival Styriarte/ Binder/ Salzburger festspiele

Nikolaus Harnoncourt/ Foto Festival Styriarte/ Binder/ Salzburger Festspiele

Nikolaus Harnoncourt, 1929 in Berlin geboren, wuchs in Graz auf und studierte Violoncello bei Paul Grümmer und Emanuel Brabec in Wien. Von 1952 bis 1969 war er Mitglied der Wiener Symphoniker, gründete aber parallel dazu im Jahr 1953 den Concentus Musicus Wien, der die Neubewertung der Aufführungspraxis von Musik aus Renaissance, Barock und Klassik maßgeblich mitbestimmte. Zunächst leitete Nikolaus Harnoncourt sein Ensemble zumeist vom Cellopult aus; seit 1970 aber verlagerte er seine Arbeit zunehmend auf die klassische Dirigententätigkeit und nahm Engagements bei anderen Orchestern an. Seine erste Operneinstudierung, Monteverdis Il ritorno d’Ulisse in patria, entstand 1971 im Theater an der Wien; seine Verbindung mit dem Zürcher Opernhaus begann ebenfalls in den siebziger Jahren mit einem Monteverdi- und einem Mozart-Zyklus.

Zu den zahlreichen Häusern und Festivals, an dener er als Operndirigent tätig ist, gehören u. a. die Wiener Staatsoper, die Nederlandse Opera Amsterdam und die Salzburger Festspielen, wo er im Sommer 2012 eine neue Zauberflöteherausbrachte.
Im Konzertsaal war er regelmäßiger Gast des Königlichen Concertgebouworkest, des Chamber Orchestra of Europe sowie der Wiener und der Berliner Philharmoniker. Eine enge Partnerschaft besteht mit der styriarte in Graz, die 1985 eigens für ihn gegründet wurde.
Als Autor und Pädagoge vermittelt er seine Erkenntnisse an ein breites Publikum und die nachfolgenden Generationen. Die Diskografie von Nikolaus Harnoncourt beinhaltet nahezu 500 vielfach preisgekrönte Einspielungen.
Für seine Verdienste um das Musikleben wurde er u. a. mit dem Siemens-Musikpreis (2002) und dem Kyoto-Preis (2005) gewürdigt. Er ist Ehrenmitglied der Gesellschaft der Musikfreunde, der Konzerthausgesellschaft in Wien sowie der Musikuniversitäten Graz und Wien, außerdem erhielt er die Ehrendoktorwürde der Universität Edinburgh, der Salzburger Universität Mozarteum und der Hochschule für Musik Köln. (Quelle: Salzburger Festspiele, Pressestelle, Foto oben Marco Borggreve/ Salzburger Festspiele – mit Dank auch für die obigen)

Neue Transparenz

 

Im so umfangreichen wie informativen Booklet zur Doppel-CD zu Bellinis Oper I Capuleti e i Montecchi bei Glossa, live aufgenommen 2014 in Rieti,  beklagt Dirigent Fabio Biondi, dass nicht auch für den romantischen Belcanto wie für das barocke und klassische (womit hier Verdi gemeint ist) Repertoire nach dem authentischen Klang, wie er zu den Ohren der Zeitgenossen gelangte, gesucht wird. Diesen strebt er mit seinem Orchester Europa Galante an, einen durchsichtigeren, kammermusikalischen Ton, wie er nicht zuletzt wegen der größeren Nähe zwischen Sängern und Orchester in den alten Opernhäusern selbstverständlich war. Hand in Hand damit ging eine genauere Beachtung der grafischen Zeichen in den Partituren, Feinheiten, denen man heutzutage nicht nur wegen des massiven Orchesterklangs, sondern auch wegen der Anforderungen, die moderne Regie an die Sänger stellt, nicht mehr gerecht werden kann. Konzertante Aufführungen wie die nicht nur in Rieti und eine originale Orchesterbesetzung sind der Ausweg aus dem Dilemma, den auch Biondi mit seinem Klangkörper gewählt hat.

Natürlich ist bei einem transparenteren Orchesterklang nicht mehr ein Mezzo-Romeo vom Kaliber einer Marilyn Horne vonnöten, aber die Wahl von Vivica Genaux ist dennoch keine glückliche, weil die Stimme zu sopranlastig und allzu leicht für die Hosenrolle ist,  sich damit wenig von der ihrer Giulietta abhebt. Sie klingt ausgesprochen weiblich, ja stellenweise kokett, zu dolce und auch allzu harmlos. Als positiv ist anzumerken, dass die Intervallsprünge gut gelingen, auch wenn dann die Tiefe zu wenig präsent ist, zumindest in den Cabaletten ein kämpferischer Ton angestrebt wird und das Legato sehr schön und ausgeprägt ist. Die Giulietta von Valentina Farcas beginnt mit einem feinen Schwellton, vermag mit ihrem Timbre Charakter und Situation der Rolle gut auszudrücken, ihre Hinfälligkeit ist auf glückliche Weise gepaart mit vokaler Grazie, so im „Ah, non poss’io partir“ oder im „respiro“. Gefährlich für den Romeo wird auch im gemeinsamen Duett der Tenor von Davide Giusti, schlank, dabei durchaus viril und seine Melodien zärtlich ausspinnend, so im „È serbata a questo acciaro“. Die Höhe ist sicher, wenn auch etwas weinerlich klingend. Dumpf klingt der Capellio von Ugo Guagliardo, sonor und markant, mit viel Autorität und Wärme in der Stimme tritt der Lorenzo von Fabrizio Beggi auf. Der Belcanto Chorus unter Martino Faggiani trägt seinen Namen zu Recht (GCD 923404). Ingrid Wanja