Archiv für den Monat: Juni 2013

Janet Baker zum 80.

 

Die Begegnung mit Janet Baker in meinen Dreißigern öffnete mir eine neue Welt – ihre hochindividuelle Stimme voller Farben wie ein rauchiges Kaleidoskop war in der Lage Wut und Verzweiflung ebenso wie Zärtlichkeit und Sehnsucht auszudrücken, ihre Reichweite erstreckte sich von Monteverdi bis zur Moderne von Egk, ihr Wirken konzentrierte sich weitgehend auf das Lied, aber auch auf der Opernbühne war sie zu Hause und sang – bis auf wenige Ausnahmen –  konsequent nur in ihrer Muttersprache live, wenngleich ihre zahllosen Aufnahmen bei vielen Firmen die Bandbreite ihrer wirklich makellosen Sprachbegabung zeigen. Im Konzert, von denen ich oft das Glück hatte sie zu erleben, hätte man sich die einzelnen Liedgruppen nicht idiomatischer vorstellen können. Auf der Bühne, wo ich sie als Didon/Les troyens, Maria Stuarda, Alceste, Penelope oder Diana/La Calisto sah, konnte sie rasen oder betören und auch einen vor Lachen sich die Seiten halten – sie war eine ungemein präsente Bühnen- und Podiumspräsenz.

Ihre Stammfirma EMI (sie sang zudem später auch bei der DG, CBS, Virgin und begann ihre Plattenkarriere mit einer wunderbaren Schumann- und Brahms-LP bei Saga) hat sie nun zu ihrem 80. Geburtstag am 21. August geehrt und einen „Koffer“ mit 20 CDs  ihrer schönsten Aufnahmen herausgegeben (0 03771 2), die ja einzeln im Wesentlichen bekannt und ganz sicher in jedem  Regal ihrer Fans anzutreffen sind, worunter eben sich Meilensteine des Liedgesangs und der Vokalkunst finden.

Die Zusammenstellung fängt mit den herrlichen Barockstücken von Monteverdi, Schütz und Scralatti an, einige aus dem Livekonzert mit Fischer-Dieskau 1970, so auch Händel, der in ihrer Karriere stets eine große Rolle gespielt hat. Die deutsche Romantik wird von Reichlichem von Bach gefolgt, einzelnes und aus den Passionen, die sie für die EMI eingesungen hat. Haydns Schottische Volkslieder gibt es hier ebenso wie Schumann, Schubert (ihre ganz große Domäne), und ihr „Gretchen am Spinnrad“ oder „Die junge Nonne“ gehört zu meinen Standardaufnahmen, ohne die ich nicht leben möchte. Brahms, Mendelssohn und Liszt zählen zu den reiferen Einspielungen, wo die Stimme schon nicht mehr so jubelt und Kraft in der Mitte gewonnen hat. Strauss- und Mahler-Lieder waren 1967 ihr ganz großer Hit nach Elgar und vielem Britischen, das sie mit Barbirolli einspielte und im Konzert sang. Vielleicht sind es die Franzosen, die die größte Poesie in ihrer Stimme hervorrufen? Ihr Fauré, Débussy, ihre Shéhérazade Ravels will mir unübertroffen erscheinen und kann sich mit den Interpretationen von Crespin oder Danco und auch Sayao messen. Aber es ist für mich Berlioz mit ihrer wunderbaren, menschlichen und hochverwundbaren Didon in den Troyens, mit der ich sie am meisten schätze, vielleicht auch, weil  ich sie in Edinburgh damit auf der Bühne erlebte, wo sie liebte, raste und verzweifelte und einen Schluss gestaltete, der mit in der Einnerung immer einen Kloß im Hals beschert. Hier, in der EMI-Box, gibt’s die herrliche Aufnahme mit Auszügen aus der Damnation, den Troyens,  gibt es „Les nuits d´été“ und weitere Lieder, diese dann aus den (recht) späten Aufnahmen bei Virgin unter Hickox. Die Briten sind meine Sache nicht, aber die Baker liebte sie, also gibt’s natürlich für den (nicht nur) insularen Markt viel von Parry und Quilter und Britten natürlich, mit dem sie in enger Freundschaft verbunden war und dessen Festival in Aldeburgh sie mit ihrer Anwesenheit adelte. Die Welt wäre ärmer ohne sie und ich auch.

Vielleicht war die Baker wie die Callas (was für ein Vergleich) live noch intensiver als im Studio, wo

als Penelope/Ritorno d´Ulisse in Glyndebourne 1973/Arthaus

Als Penelope in Il Ritorno d´Ulisse, Glyndebourne 1973 (Arthaus).

sie mit so gut wie allen bedeutenden Dirigenten und Pianisten (natürlich unendlich oft mit Gerald Moore) mit hoher Präzision arbeitete. Einen Eindruck von ihrer großen Live- und Bühnenpräsenz bekommt man auf dem Video von Arthaus, wenn sie 1973 ihre bedeutende Penelope von Monteverdis Ritorno d´Ulisse in Patria (102 308) singt, die Personifizierung der Wartenden, Liebenden, Standfesten – optisch ergreifende Darstellerin und gesanglich ohne Vergleich (neben Benjamin Luxon unter Raymond Leppards mahler-hafter musikalischer Einrichtung. Wer die Baker als Tragödin erleben will sollte sich dieses etwas altmodisch wirkende Video zulegen – herzzerreißend!
Geerd Heinsen

Rüdiger Winter

 

Rüdiger Winter wollte seit frühester Jugend nichts anderes als Journalist werden. Er ist es geworden und geblieben, hat ein entsprechendes Studium durchlaufen, wünschte sich wie alle Journalisten ganz hoch hinaus und blieb doch immer in den Niederungen des schönsten Berufstandes der Welt unterwegs. Er wäre gern Musikkritiker geworden, der Hörfunk und die Zeitungen – darunter etliche namhafte Blätter – wollten ihn aber immer dort haben, wo sich Menschen ganz unmittelbar angesprochen fühlen – nämlich im Lokaljournalismus.  Der gebürtige Landmensch hat wohl ein besonders Händchen dafür.  So ist die Musik der freien Zeit vorbehalten geblieben.  Und das ist auch gut so. Die Mitarbeit an Operalounge.de, der bereits eine freie Tätigkeit bei einem anderen Opernmagazin voraus ging, ist die späte Erfüllung des alten Wunsches. Richard Wagner, der musikalische Hausgott von frühester Jugend an, hat diese Position bis jetzt behalten. Trotz aller Liebe zu Schubert und Mozart, zu Verdi, Bruckner, Mahler und Sibelius. Die Reihe ist nach hinten offen und endet noch längst nicht mit  Schostakowitsch, Lortzing, Wolf, Strauss, Pfitzner oder Loewe.

Piero de Palma

piero de palma

 

Piero de Palma (Molfetta1925 – Mailand5. April 2013):  Kaum ein anderer italienischer Sänger hat so vieleOpern-Aufnahmen gemacht wie er. Er war einer der gesuchtesten Comprimari seiner Zeit. Nach Chor – und Konzerttätigkeit begann seine Opernlaufbahn relativ spät im Leben. 1948 sang er erstmals beim italienischen Rundfunks ( RAI ), und im Jahr 1952 gab er sein Debüt an der Oper von San Carlo in Neapel , wo er regelmäßig bis 1980 auftrat. Im selben Jahr gab er auch sein Debüt an der Oper in Rom und beim Maggio Musicale Fiorentino , danach im Jahr 1958 erstmals an der Scala  Mailand. Im Jahr 1992 gab er sein Debüt an der Metropolitan Opera in New York als Dr. Cajus in Verdis Falstaff .

Charakterrollen waren seine Spezialität, und er war einer der besten und bekanntesten Comprimari nach dem Krieg. Er verfügte zudem über eine schöntimbrierte, helle Stimme und große schauspielerische Darstellung. Im Laufe seiner Karriere sang er über 200 Rollen, darunter Dr. Cajus und Pong in Puccinis Turandot, für die er besonders bekannt wurde. Andere unvergesslichen Rollen waren Basilio (Il barbiere di Siviglia), Normanno (Lucia di Lammermoor), Malcolm (Macbeth), Borsa (Rigoletto), Gastone (La traviata), Cassio (Otello), Spoletta (Tosca), Edmondo (Manon Lescaut) , Goro (Madama Butterfly) und Spalanzani (Les contes d’Hoffmann). Zwischen 1950 und 1980 hat er mehr als 130 Rollen in seinem Repertoire, und er ist auf wirklich vielen Plattenaufnahmen verewigt. (Wiki)